InDoDi – Innovation im Dorf durch Dialog
Das praktisch angelegte Forschungsprojekt InDoDi reagiert auf Beobachtungen aus laufenden Forschungs- und Projektarbeiten am Fachgebiet Stadtplanung und soziologischer Forschungen: Periphere, wirtschaftlich schwache Gemeinden – besonders in Ostdeutschland – leiden unter strukturellen Herausforderungen, die durch die unternehmerische Neuordnung des Sozialstaates seit den 1990er Jahren, die globale Klimakrise und deren Wechselwirkungen verstärkt werden. Diese Belastungen führen zu Rückzug ins Private, Isolation und Vereinsamung. Ein deutliches Indiz für diese Entwicklungen ist der Rückgang historisch gewachsener Vereinsstrukturen wie Freiwillige Feuerwehren, Kultur-, Sport- und Heimatvereine. Mit dem Verlust solcher sozialen Treffpunkte verringern sich Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe, was wiederum populistische Strömungen und antidemokratische Tendenzen begünstigt.
InDoDi setzt auf einen dialogisch-konstruktiven Prozess in und zwischen zwei Dörfern in Brandenburg. Mithilfe kultureller und künstlerischer Methoden werden im Zeitraum von 30 Monaten lokale Potenziale aktiviert, soziale Innovationen angestoßen und dörfliche Verantwortungsgemeinschaften gestärkt. Dabei stehen die endogenen Ressourcen der ländlichen Gemeinschaften im Fokus.
Der innovative Charakter des Projekts liegt in der prozessorientierten Begleitung und dem Einbezug künstlerischer Perspektiven nach der Methode „Neue Auftraggeber“ – einem künstlerischen Verfahren aus Frankreich, das seit 2017 in Deutschland erprobt wird und hier in den direkten Dialog zweier Dörfer überführt wird. Mit Hilfe künstlerischer Mittel soll lokales Erfahrungswissen sichtbar und Eigenverantwortung und Autonomie gestärkt werden.
Die Projektidee ist in den lokalen Gegebenheiten verankert, und alle Projektschritte sollen maßgeblich von den Bürger:innen der Dörfer gestaltet und verantwortet werden. Ziel ist es, gemeinsam drängende Anliegen ("Urgency") zu identifizieren und sicherzustellen, dass die Verantwortung ("Ownership") und die Gestaltungsmacht ("Agency") bei den Bürger:innen verbleiben. Der Einbezug künstlerischer Perspektiven ist ein zentraler Bestandteil des Projekts. Er unterstützt die Reflexion von Prozessen, eröffnet neue Blickwinkel, indem er Potenziale sichtbar macht, wo bislang Defizite wahrgenommen wurden, und ermöglicht überraschende Erkenntnisse. Künstlerische Ansätze fördern Mut und Innovationsbereitschaft, regen zu unkonventionellem Denken an, stärken die Vorstellungskraft und wirken als Spiegel, um Selbst- und Fremdwahrnehmung kritisch zu hinterfragen.
Neben der praktischen Arbeit verfolgt InDoDi ein wissenschaftliches Interesse: Es werden dialogische und künstlerische Entwicklungsansätze erprobt, reflektiert und dokumentiert – auch in Form kleiner Drucksachen.
Zur Evaluation werden zwei Indikatoren untersucht: das Transformationsklima (Bereitschaft zur Veränderung und Übernahme von Verantwortung) und das Integrationsklima (Offenheit für neue Menschen, Ideen und Perspektiven). Der Einfluss künstlerische Perspektiven auf diese Indikatoren liegt dabei im Fokus. Die Erhebung erfolgt durch teilnehmende Beobachtung, Fokusgruppen und Interviews – die Ergebnisse fließen in die Weiterentwicklung des Projekts und die Übertragbarkeit auf andere Gemeinden ein.