Eröffnungswochenende und Fachkonferenz 2023 des Studienganges „Forensic Sciences and Engineering“
Konferenzthema: Das Forensische TransLAB Hub-Ost
Die Jahresveranstaltung im Format einer Konferenz erfolgte im Jahr 2023 zum siebten Mal. In diesem Jahr trafen wir uns für das Wochenende vom 06. bis 08. Oktober in Burg (Spreewald). Dies bot Gelegenheit die neuen Studierenden des ersten Fachsemesters 2023/24 des Studiengangs „Forensic Sciences and Engineering“ in den Räumlichkeiten der Jugendherberge zu begrüßen und durch Fachvorträge in ihr Studienthema einzuführen. Weiterhin konnten wir Gäste u.a. der Polizeidirektion Süd aus Cottbus begrüßen, die den Vorträgen nicht nur lauschten, sondern auch durch Erfahrungsberichte Ihrer fachlichen Tätigkeitsfelder und wissentlicher Einschätzungen bereicherten.
Prof. Albrecht stellt am Freitagabend in seiner Begrüßungsrede klar, wie besonders und individuell der Studiengang in Cottbus im Vergleich zu anderen forensischen Ausbildungsstellen in Deutschland ist. Dieser Einladung folgend übernahm Apl. Prof Thomas Fischer mit dem Thema der forensischen Analyse aus Sicht der Arbeiten im Zentralen Analyse Labor (ZAL) auf dem Hauptcampus der BTU Cottbus-Senftenberg. Mit Bezug zu einem erst kürzlich zurückliegenden, von ihm erstellen, Gutachten zu einem Mordfall in Thüringen, gab es für die Studierenden und Gäste keine Zeit nur anzukommen. Sie waren gleich mittendrin. Die Räumlichkeiten der Jugendherberge boten uns einen geschützten und professionellen Rahmen für teils sensible Themen und gleichzeitig einen gemütlichen Ausklang des Freitags am Grillplatz. So ergaben sich diverse Gespräche, welche die ersten Impressionen und fachlichen Eindrücke vertieften und andere Themen hervorbrachten. Kriminaldirektor (KD) Karsten Bettels (Leiter der Polizeihochschule Niendorf) kam hinzu und vollbrachte es in spielerische Weise fachliche Einschätzungen, universitäre Lehrweisen und Bedarfe aus seiner Sicht mit einzuflechten. Ganz nebenbei stellte man sich vor und schon war es 23:00 Uhr.
Der Samstag als Kern Tag dieses Wochenendes und bot ein reichhaltiges Programm. Gekrönt wurde die Veranstaltung in diesem Jahr mit einem spektakulären Experiment als Highlight zur „Nacht der kreativen Köpfe“ (NdkK) in Cottbus. Der Studiengang beteiligt sich ab 19:00 Uhr mit einem Brandursachen-Experiment namens Dollhouse auf dem Campus der BTU in Cottbus. Dr. Eckhard Grünheid (Brandsachverständiger und Dozent) und sein Sohn Fabian haben dafür gesorgt, dass wir als Universität und Studiengang in einem besonderes Licht erscheinen konnten. Herzlichen Dank dafür nochmals auch an dieser Stelle!
Doch bevor diese abendliche Attraktion weiter vertieft wird, kommen wir thematisch zum Tagesbeginn nach Burg (Spreewald) zurück. Prof. Albrecht begrüßte Prof. Labudde (HS Mittweida), welcher als forensischer Gutachter und Berater durch Funk und Fernsehen wie kein Zweiter bekannt ist. Er hat die digitale Forensik fest im Griff und ihm gelingt es immer wieder aufs Neue durch Anwendung digitaler Methoden und technischer Tools, dazu beizutragen, dass die Beurteilungen von Tathergangs-beschreibungen aus Sicht der forensischen Beteiligungen immer besser und spezieller werden.
Prof. Albrecht führte vorerst fort, welches unterschiedlichen „universitären“ Standorte der forensischen Ausbildungsorte in Deutschland hinweg aufzuzeigen sind, welche Methodologie hinter der Forensik da und dort steht und wie sie von welchen Wissenschaftsdisziplinen betrieben wird. Prof. Albrecht führt aus Sicht des Juristen hinzu, dass die gerichtliche Bedeutung als Ort der Klärung eine besondere Tradition besitzt, die heute sehr deutlich damit zu tun hat, das digitale Zeitalter und denen sich damit zeigenden neuen Bedingungen und Herausforderungen zu befassen. Die Moderation von den beiden Dirks (Labudde und Marx) erfolgte in einer spielerischen Frische, so dass es ein Vergnügen war, sie als Zwischenerzähler erleben zu dürfen. Kurzum: Es ging um nichts geringeres als eine neue forensische Methode einzuführen, die des TransLABs. Der kommunikative Prozess und die Art und Weise der Darbietung sowie die fachspezifische Tiefe durch Teilvorträge führten dazu, dass hier auf eben einen spielerische Weise die methodologische Kooperation durch einzelne Akteure eines Netzwerkes sichtbar werden konnte. Was für ein Ritt!
Diesen Parcours übernahm Karste Bettels mit seinem Thema „Cold Cases“. Ein sich hinter dieser kurzen Setzung verbergender Komplex an bis zu 3500 ungeklärten Kriminalfällen (Mord) in Deutschland/Europa macht es nicht sichtbar aber doch erkennbar, wie bedeutend die Arbeit des Kriminaldirektors ist. Internationale Kooperationen mit Instituten und Universitäten aber auch mit einzelnen Personen und Studierenden führten dazu, dass Herr Bettels das ICCAP und das NCCAP hat entwickeln und seit 2 Jahren durchführen können. Immer in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft ist es ihm gelungen eine digitale Lernplattform zu führen, die Ausbildung, akademische Lehre und intellektuelle Herausforderungen zugleich sind. Die Kürzel (ICCAP und NCCAP) stehen für „Cold Cases Akademic Program“, wobei „I“ international und „N“ national bedeutet. Zwei Wissenszirkel, immer in Bezug zu speziellen Cases, werden durch ihn und das Kooperationsnetzwerk so bearbeitet, dass auf Basis seiner methodologischen Strukturen eine Neubetrachtung auf eben bereits abgeschlossene und bisher nicht geklärte Mordfälle erfolgt. Zusammen mit den Studierenden entsteht hier ein Lernort, den es so kein zweites Mal gibt. Die BTU Cottbus-Senftenberg ist ab sofort als institutioneller Partner mit im ICCAP dabei. Apl. Prof. Thomas Fischer hat die Schirmherrschaft und das Team Marx / Braun die Koordination übernommen.
Wie gesagt, eine Besonderheit folgt der nächsten Attraktion. Im Programmpunkt stellt Prof. Dirk Labudde Fälle aus seiner Zusammenarbeit mit Mordkommissionen (MOKO) vor und erörtert, wie es gelang, die Expertise eines Hochschullehrers dort mit einfließen zu lassen. Es ist wichtig, zu erwähnen, dass eine solche Zusammenarbeit immer nur im Auftrag der Staatsanwaltschaft erfolgen kann und darf. Intensiv und reich an Raffinessen geling es Prof. Labudde das Auditorium in seinen Bann zu ziehen, was natürlich auch daran liegt, wie nahe er das Publikum an die Materie der Forensik herankommen lässt. Er bietet Einblicke in die gutachterliche Perspektive bei der Erstellung von Berichten und der hierfür aufzubereitenden Informationen, aber ebenso kurze Anekdoten dazu, wie es im Gericht abgeht. Zudem schildert er, wie es ist zwischen den verfeindeten Rockerbanden zu sitzen und dafür zu sorgen, dass durch seine forensische Arbeit die Streitparteien stärker belastet oder entlastet werden und zuletzt seine Arbeit signifikant dazu beiträgt, dass Personen aus eben diesem Kreis einwandern.
Das ist die forensische Wissenschaft, wie sie in Cottbus gelehrt und erlebt wird. Prof. Labudde und sein Team haben in den letzten Jahren eine Methode entwickelt, die nach Rückschlängen im z.B. Münz-Verfahren in Berlin heute so gerichtsfest ist, dass sie im Zuge der normativen Anerkennung im Gerichtssaal gültig ist. Dies und noch vieles mehr hat Prof. Labudde uns nahegebracht und bei den Studierenden Lust auf mehr gemacht. Die Vorfreude bei den neuen Studierenden wird sicherlich im Lehrbetrieb des Studienganges befriedet werden.
Leider musste der nächste Vortrag im Programm von Veselko Hagen zusammen mit Dirk Marx zum forensischen TansLAB aus gesundheitlichen Gründen des Herren Hagen vertragt werden. Doch Marx gelang es zentrale Aussagen dieses Vortrages im Rahmen seiner Moderation, die mehr eine Fazilitation war, durchblicken zu lassen. Nichts desto trotz, das kann und wird nachgeholt und zusammen mit dem Kollegen Veselko Hagen aus Österreich so vorgetragen, dass der TransLAB-Ansatz sich in Zukunft immer deutlicher zeigen und bearbeiten lässt. Von hier aus gute Genesungsgrüße.
PD Dr. Stefan Rödiger hat die kriminalistischen Ausführungen der Kollegen dazu genutzt, um aufzuzeigen, wo sich die Grenzen der Bioanalyse mit Bezug zur möglichen Verwendbarkeit von Markern zur sicheren Erkennung von Körperflüssigkeiten der mi.RNA befinden. Komplex und voller wissenschaftlicher Diskursebenen gelang es ihm dennoch das Auditorium nicht zu verlieren und ihnen stattdessen zu zeigen, was in dem Bereich der Bioinformatik etc. möglich ist und wie man hier methodisch vorgeht. Ein dickes Brett auf das sich nur Prof. Labudde herauf wagte und dies führte dazu, dass die beiden einen vertieften Wissenschaftsdiskurs erlebbar machten, was die meisten anderen mit Erstaunen zu Kenntnis nahmen. Ein wunderbarer Mix aus zu differenzierender Wissenschaftlichkeit, deren Ausführungen, Methoden und Herangehensweisen bezüglich Sprache und des Denkens dazu dient, möglichst neue Ergebnisse zu finden und dann sich zu produzieren.
Die Region Cottbus und darüber hinaus der angrenzende Spreewald mit dem zentralen Dorf Burg (Spreewald) ist schon länger in einer deutschlandweiten Betrachtung. Es geht um die umtriebigen meist rechts gerichteten Akteure namens Zukunft Heimat, Clan von Cottbus oder wie auch immer sich die identitären Akteure kleiden oder sich im „Freistaat Schmogrow“, was ein Ortsteil in der Großgemeinde Burg ist, organisieren und artikulieren. Sicher ist es, dass der Sumpf nicht nur durch das Wasser der Spree entstanden ist, sondern auch aufgrund der traditionellen und historischen Gegebenheiten, die heute von Rechtsradikalen genutzt oder harmloser gesagt „nur“ unterwandert werden. Auch aus diesem Grunde findet die diesjährige Veranstaltung in Burg statt und der Verfassungsschutz des Landes Brandenburg schickt einen Mitarbeiter, der sozusagen als „Side Akt“ erörtert, wie es um Burg und die Region Südbrandenburg steht. Titel seines Vortrages ist „Aufstieg des Bösen“. Erst mit Zuzug einzelner radikaler Akteure ist auch Burg zum Beobachtungsfall geworden war ansonsten eher unauffällig. Da sich aber aus aktuellem Anlass Schüler und Schülerinnen ohne Befürchtung vor Repressionen an der Burger Grund- und Oberschule morgens mit Hitlergruß begrüßen, schien es mehr als sinnvoll, sich diesem Thema verantwortungsvoll anzunähern. Das haben wir getan und dabei gelernt, dass es konservative aber nicht immer rechtsradikale Strömungen sind, die dazu führen, dass ein politisches zivilgesellschaftliches Leben mit Farbe und Vielfalt in Burg (Spreewald) nicht willkommen ist. Ein Schweigen liegt über der Region und man ist weiterhin herausgefordert sich diesem entgegenzustellen.
Danke für alle Teilenehmenden und Vortragenden. Jetzt schnell rein in den BUS und los geht es zur NdkK nach Cottbus. Das Dollhouse-Experiment wurde bereits von Dr. E. Grünheid und Fabian aufgestellt. Auch die Berufsfeuerwehr Cottbus ist anwesend. Sie sichert das Brandexperiment ab und ist ebenso Kooperationspartner dafür, dass man lernen und zeigen möchte, wie sich Feuer im Haus entwickelt und welche Vorkommnisse man in einem solchen Falle zu erwarten habe. Die Moderation durch Apl. Prof. Thomas Fischer machte es für die zahlreichen Zuschauer möglich, dem Experiment folgen zu können. Zuvor hat der Studiengangs Leiter Prof. Eike Albrecht einführende Worte auch zusammen mit den Herren der Feuerwehr (Frenzel und Mangel) finden können, so dass die Stimmung erwartungsvoll und angespannt war. Pünktlich um 19 Uhr ging es los und um 20 Uhr musste die Ströbitzer Feuerwehrjugend das Dollhouse ablöschen. Das Experiment ist nicht entglitten, nein, aber es war notwendig geworden, länger als gedacht – das Material hatte 25 Minuten lang kein Feuer gefangen - im Dollhouse zu zündeln und den Brand mithilfe von unterschiedlichen Sauerstoffzufuhren zu entfachen. Ziel war es, einen „Backdraft“ und einen „Rollover“ zu zeigen, sowie die Pulsierung von Rauchentwicklungen und dessen Auswirkungen bei Verpuffungen sowie der Entzündung von angereicherten Rauchgasen nachzustellen. Dies alles ist dem Team Grünheid mit bemerkenswerter Ruhe gelungen. Das Experiment war sehr erfolgreich und eine große Bereicherung der NdkK.
Danke Eckhard, danke Fabien und auch dem Team der Feuerwehr Cottbus!
Nach diesem langen und intensiven Tag fanden wir uns in der Esscobar zum weiteren Austausch einer Nachlese des Brandursachenermittlungsexperiments ein. Um 23:15 Uhr brachte uns der Nachtbus nach Burg zurück - gute Nacht.
Am letzten Tag, dem Sonntag, stellen sich die Studierenden vor. Es ist immer wieder erstaunlich mit welchen Kompetenzen sie ihr Studium bei uns beginnen. Dr. Thomas Juretzek kam auf einen Abstecher vorbei und eröffneten den Teilnehmenden Zugänge zur Arbeit im CTK Cottbus und hier im Besonderen den Laborbereichen, die er leitet. Nicht nur die Studierenden, sondern auch Karsten Bettels hörte, was Dr. Juretzke mitzuteilen hatte. Erstaunt fragt er nach, ob es möglich wäre, DNA Material eines „Cold Cases“ am CTK zu untersuchen. Dies können bisher nur die Kollegen der forensischen Anthropologie in England. Ja, sagte Dr. Juretzek, wenn die Entwicklungen hier am Standort so weitergehen, wäre das durchaus vorstellbar und ein entsprechender Raum dafür sollte in Zukunft eingerichtet werden. Dies könnte evtl. sogar in Kooperation mit dem Studiengang „Forensic Sciences and Engineering“ erfolgen. Dies ist ein enormes Ergebnis dieser sonntäglichen Besprechung! Zudem ist ebenfalls noch erwähnenswert, dass Prof. T. Fischer den Studierenden direkt Feedback zu einigen Vorstellungen und Möglichkeiten der Erstellung von Masterarbeiten gegeben hat.
Prof. Albrecht hatte die Aufgabe diese Jahresveranstaltung zu eröffnen und zu schließen. Pünktlich und mit anekdotenreichen Ausführungen ist ihm das gelungen. Dirk Marx, Bronia Braun und Prof. Eike Albrecht sagen danke und freuen sich auf eine gemeinsame Zukunft.
Cottbus, den 12.10.2023 – dm