Dr.-Ing. Layla Zibar promovierte erfolgreich an zwei Universitäten in Cottbus und in Löwen (Belgien)
Dr.-Ing. Layla Zibar ist in der Welt zuhause: Sie absolvierte ihre binationale Promotion an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und an der Katholischen Universität Löwen (Belgien). Im Februar 2023 konnte sie ihre Promotion am Fachgebiet Städtebau und Entwerfen bei Prof. Heinz Nagler erfolgreich abschließen. Davor hat sie Architektur und Ingenieurwesen an der Universität Aleppo (Syrien) studiert und darüber hinaus Stadtplanung, Kommunalentwicklung und Bauingenieurwesen an der Universität Kairo (Ägypten).
Im Interview sprechen sie und Prof. Heinz Nagler über ihre Erfahrungen und über die Vorteile einer Cotutelle-Promotion.
Dr.-Ing. Zibar, können Sie uns kurz beschreiben, womit Sie sich in Ihrer Dissertation beschäftigt haben?
Meine Doktorarbeit befasste sich mit den Themen der Vertreibung und des Urbanismus in der Region Kurdistan im Irak, insbesondere syrisch-kurdische Flüchtlingslager. Dabei habe ich mich besonders darauf fokussiert, wie neu errichtete Siedlungen und (humanitäre) Lager zu Instrumenten der Versorgung, aber auch der Unterdrückung der vertriebenen Gruppen wurden. Auch wie das vorübergehende "Warten" räumlich konzipiert, wahrgenommen und gelebt wird, war Gegenstand meiner Untersuchungen. Anhand von territorialen Biografien wurde die Genealogie der Aufnahmeorte nachgezeichnet. So war es mir möglich zu untersuchen, wie Gebiete zu räumlichen Knotenpunkten wurden, um die sich verändernden Formen von Macht, Präsenz und Zufluchtspraktiken in dieser politisch umkämpften Region neu zu kalibrieren.
Mich persönlich hat schon immer fasziniert, wie fremde Räume zur Leinwand wurden, auf der Vertriebene die Fragmente ihres Selbst sammeln und das Kollektiv (neu) konfigurieren, den Bruch als mögliches Tor zu besseren Lebenschancen nutzen und Erinnerungen als Antrieb für den (Wieder-) Aufbau eines (neuen) Ganzen formen - und das alles in einem fremden Land. Diese Faszination ist auch durch meine persönliche Reise ausgelöst worden: Ich bin Kurdin, Syrerin und Migrantin in einer Familie mit unterschiedlichen Pfaden der Flucht, auf der ständigen Suche nach Wurzeln und Möglichkeiten, (wieder) Wurzeln zu schlagen.
Wie bewerten Sie Ihre Erfahrung, an zwei Universitäten promoviert zu haben?
Sehr lohnend. Ich habe nicht nur die Möglichkeit erhalten, mein persönliches Netzwerk zu erweitern, sondern auch verschiedene Lehr- und Betreuungsmethoden, Bildungsmodelle, Gesellschaften und Kulturen kennenzulernen. Das hat mein akademisches Profil geprägt.
Auf meiner Reise durch Europa und den Nahen Osten kam ich mit verschiedenen Themen in Berührung, von der Denkmalpflege über den Landschaftsurbanismus bis hin zu den Zusammenhängen von Zwangsmigration, vom Design bis zur Theorie. Jeder Ort bot eine einzigartige Perspektive auf die Welt der persönlichen Entdeckungen, der Wissenschaft und der Forschung. Obwohl die unterschiedlichen Vorschriften, Anforderungen und Forschungsmethoden einige Herausforderungen mit sich brachten, habe ich durchgehalten und mich letztendlich bewährt. Die Erfahrung hat nicht nur meine Forschungsfähigkeiten gestärkt, sondern mich auch auf die künftige Zusammenarbeit mit Kollegen mit unterschiedlichsten Hintergründen vorbereitet. Vor diesem Hintergrund kann ich die binationale Promotion jedem empfehlen, der einen intensiven und umfassenden Zugang zur Wissenschaft sucht. Der Weg mag nicht einfach sein, aber die Ergebnisse sind es sicherlich wert.
Wie ging es für Sie nach Abschluss der Promotion weiter?
Derzeit arbeite ich als Postdoktorandin im Rahmen des Projektes „REFUFAM - The Integration of Refugee Families in Belgium“ an der KU Löwen. Zudem unterstütze ich als Beraterin und Ausbilderin die syrischen und irakischen Wiederaufbauprojekte an der BTU. Meine akademische Ausbildung, meine Forschung und meine beruflichen Interessen zielen darauf ab, die Wechselbeziehung zwischen Anrechten, Krisen, Zwangsmigration, Urbanisierungsprozessen und den gelebten Erfahrungen zu verstehen.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Mein Plan für die Zukunft hat zwei Achsen: Die erste besteht darin, die Nutzung von territorialen Biografien als Forschungsmethode auszubauen, um Zwangsmigration als einen Akt der Präsenz zu verstehen, der nicht einfach durch Umsiedlung oder Vertreibung ausgelöscht werden kann. Die zweite Achse besteht darin, Studierende und zukünftige Kolleginnen und Kollegen dabei zu unterstützen, Zwangsumsiedlung als ein Instrument zur Veränderung ererbter Weltanschauungen zu verstehen und sich damit auseinanderzusetzen.
Herr Prof. Dipl.-Ing. Nagler, wie würden Sie als Doktorvater die Erfahrung mit einer Cotutelle-Promotion bewerten?
Bei komplexen Fragestellungen, die eines multiplen fachlichen Ansatzes bedürfen, ist eine Kooperation mit einer ausländischen Universität, die einen komplementären Ansatz verfolgt, von großem Vorteil. Im konkreten Fall besitzt der Lehrstuhl Städtebau und Entwerfen an der BTU Cottbus-Senftenberg eine besondere Expertise für die städtebaulich räumliche Komponente, was natürlich für die Konzeption und die Anlage von Flüchtlingslagern von herausragender Bedeutung ist. Die KU Löwen besitzt in der Theorie sozialräumlicher sowie sozialgeographischer Kriterien große Erfahrung und Fachkenntnisse. So stellt dieses Betreuungspotential eine gute Rahmenbedingung für eine erfolgreiche Promotion dar. Die zwangsläufige Einbeziehung in unterschiedliche akademische Traditionen ist für die weitere forschende Tätigkeit der Promovendin von großem Wert. Auch bietet die Möglichkeit, eine weitere Sprache zu erlernen oder zu vertiefen, eine hohe Relevanz für die Persönlichkeitsbildung.
Was raten Sie Kolleginnen und Kollegen, die überlegen, eine Betreuung in einer binationalen Promotion zu übernehmen?
Aus meiner Sicht ist es für die konkret Betreuenden, besonders aber auch für die Fakultät von Bedeutung, dass das Verfahren von zentraler Stelle kontinuierlich begleitet wird. Dies trifft für die Prüfungsphase besonders zu. Damit kann der vermeintlichen Gefahr begegnet werden, Verfahrensfehler zu begehen, die eventuell die Promotion gefährden können. Diesen "Service" von zentraler Stelle aus anzubieten, kann die Hemmschwelle zur Betreuungszusage senken, da Befürchtungen von zusätzlichen Formalitäten bei Cotutelle-Promotionen bestehen.
Da in der Regel die oder der Promovierende die ausländische Universität aussucht, besteht zunächst keine persönliche Beziehung zwischen den Betreuenden. Hier eine Hilfestellung für eine fruchtbare Kontaktaufnahme zu geben, wäre sicherlich lohnenswert.
Das Referat Wissenschaftlicher Nachwuchs berät Sie gerne bei Fragen zu Zielen, der Anbahnung und Durchführung einer Cotutelle-Promotion.
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