Pressemitteilung: Die Kraft einer Stiftung, Gutes zu tun

Im Großen Haus am Cottbuser Schillerplatz sind die Max-Grünebaum-Preise 2006 an junge Künstler und Wissenschaftler des Staatstheaters und der Brandenburgischen Technischen Universität verliehen worden. Es war eine Jubiläumsveranstaltung, die Vergabe fand schon zum zehnten Mal statt (Quelle: Lausitzer Rundschau).

Lausitzer Rundschau, Cottbus, 02.10.2006

Es ist schön, wenn verdienstvolle Personen ausgezeichnet werden, noch schöner, wenn dabei viel Publikum zugegen ist, und am schönsten, wenn das Ganze in würdiger und weihevoller Form geschieht.
Dieses Schönste war der Fall. Wie schon in den Vorjahren waren Mitglieder der Stifterfamilie nach Cottbus gekommen, um die Preise zu überreichen: die 89-jährige Enkelin von Max Grünebaum, Ursula Hulme, und die Urenkel John und Peter Gumbel. Der Kammerchor der Singakademie und das Bach Consort Cottbus auf historischen Instrumenten sangen und spielten unter Leitung von Christian Möbius aus Werken von Mozart, Bach, Haydn und Kirnberger. Der wunderbare Sopran der Anna Sommerfeld erfüllte den Saal mit zwei Arien aus Mozarts Motette «Exultate jubilate» .

Alltag lebens- und liebenswert
Die Atmosphäre ging sehr zu Herzen. Der sehr kunstbeflissenen und -interessierten sympathischen alten Dame aus London mögen in dieser Klangwelt ihre kürzlich gesprochenen Worte in den Sinn gekommen sein: «Ich bin zurück in Cottbus» , was auch daran denken ließ, dass ihre Familie wegen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Deutschland verlassen musste.
Prof. Dr. Claus Lambrecht, Vorstandsvorsitzender der Stiftung, erinnerte denn auch humorvoll an diese Verbundenheit. Beim Wort «stiften» denke mancher an «stiften gehen» . Hier sei aber ein Kommen und Geben zu bemerken. Stiftung im Sinne der Familie des einstigen Kommerzienrates, Tuchfabrikanten und Cottbuser Ehrenbürgers Max Grünebaum (1851 – 1925) habe immer mit Selbstbewusstsein und Verantwortung für die Allgemeinheit zu tun. Der Begriff verbinde sich heute mit der Bürgergesellschaft, die Entscheidungen vor Ort treffe und nicht in Berlin, Paris, Brüssel oder London. Privates soziales Engagement helfe mit, den Alltag lebens- und liebenswert zu machen.
Dann stellte Martin Schüler mit seiner Laudatio eine Sängerin vor, die in Cottbus «eine tolle Zerlina in ’Don Giovanni’, eine verführerische Rheintochter Woglinde in ’Rheingold’, einen komödiantischen Sopran in der Vier-Ton-Oper, eine raffinierte Valencienne in der ’Lustigen Witwe’ und glaubhaft kindlich das Mädchen Sulai im ’Kleinen Muck’ verkörperte.» Seine Lobrede galt Cornelia Zink aus dem Opernensemble.
Nachdem sie 2004 als Ciboletta im Karnevalsspektakel «Eine Nacht in Venedig» in Cottbus ihre erste Visitenkarte abgegeben hatte, gehört sie seit März 2005 fest zum Cottbuser Opernensemble. Der Applaus bei der Namensnennung bewies, dass Martin Schüler auch mit den folgenden Worten Recht hatte: «Cornelia Zink hat sich in kürzester Zeit in die Herzen der Zuschauer gespielt, sich Achtung und Respekt bei den Kollegen verschafft.» 1974 in Rothenburg ob der Tauber geboren, war sie in Ludwigsburg (Baden-Württemberg) aufgewachsen. Sie gehörte mit fünf Jahren zum Städtischen Kinderchor, mit zehn zum Kinderchor der Staatsoper Stuttgart. Mit «noch kindlicher, aber stets wachsender Sopranstimme trug sie zum Erfolg von Aufführungen bei» , sagt Schüler. Positive Erfahrungen und Eindrücke mit solchen Opern wie «Hänsel und Gretel» , «Figaros Hochzeit» , «Freischütz» , «Carmen» und «Tannhäuser» bewogen sie, das Theater zu ihrem Lebensmittelpunkt zu bestimmen. Ihre siebenjährige Ausbildung absolvierte Cornelia Zink an der weltberühmten Talenteschmiede des Mozarteums zu Salzburg, wo sie zuerst ihr Diplom und dann den Magister Artium, jeweils «Mit Auszeichnung» ausgehändigt bekam. Ihre nächste Rolle in Cottbus: die Musetta in «La Bohème» von Puccini (Premiere: 4. November 2006).
In eine ganz andere Welt führte die Preisrede von Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Hentschel von der BTU. Er stellte den Gewinner der zweiten Trophäe vor: Dr. rer. oec. Michael Brusch. Der hat am Lehrstuhl für Marketing und Innovationsmanagement seine Dissertation mit dem – pardon, Wissenschaftler! – sperrigen Titel «Präferenzanalyse für Dienstleistungsinnovationen mittels multimediagestützter Conjointanalyse» angefertigt und das Prädikat «Summa cum laude» ( «mit höchstem Lob» ) erhalten. Michael Brusch hatte seit 1994 an der BTU studiert und zum Abschluss des Studiums 2000 den Fakultätspreis für die beste Diplomarbeit des Jahres erhalten.

Steckbrief für Dienstleistungen
Mit seiner wissenschaftlichen Arbeit hat er Methoden erkundet, Dienstleistungen zu «porträtieren» . Im RUNDSCHAU-Gespräch sagte er: «Dienstleistungen kann man nicht sehen oder anfassen wie ein neues Haus oder Auto. Der Kunde will aber wissen, was ihm der Anbieter offeriert, er braucht so etwas wie einen Steckbrief.» Deswegen müsse man andere Wege beschreiten, damit Anbieter die Wünsche und Preisbereitschaft künftiger Nachfrager und Kunden kennen lernen. Er kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass der Einsatz multimedialer Mittel vor allem dann angesagt ist, wenn es gilt, erklärungsbedürftige Eigenschaften sichtbar zu machen. Bei der Befragung selbst empfehle sich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen verbaler und multimedialer Präsentation.
Nach Prof. Hentschel habe Bruschs Arbeit große Bedeutung im Marketingbereich. Der Wissenschaftler konnte sie bereits mit Kollegen aus Bielefeld und Baltimore weiterentwickeln und in der Universität von New York vorstellen.
Die Max-Grünebaum-Preise sind mit je 5000 Euro dotiert.
Zur alljährlichen Verleihung gehören auch die Förderpreise, die die Namen anderer Mitglieder der Stifterfamilie tragen. Ihre Träger sollen Gelegenheit erhalten, sich auf ihrem Gebiet in London umzusehen.

Ein Leuchtfeuer für Cottbus
Der Karl-Newman-Förderpreis wurde dem Chefbühnenmanager und Regisseur Hauke Tesch verliehen. Tesch hatte 1990 als Chorsänger am Staatstheater begonnen und sich dann auf einen langen Weg der Selbstfindung begeben, der ihn zur Regiearbeit führte. Seine Schlüsselerlebnisse waren ein Regiekurs bei der berühmten Ruth Berghaus und eine Regiehospitanz in der Cottbuser «Freischütz-Inszenierung» von 1996. In seiner Dankesrede bezeichnete Tesch das «generationenübergreifende Engagement der Londoner Familie» als ein Leuchtfeuer für Cottbus: «Was für ein Glanz!»
Aus Newcastle, wo sie ihr Wintersemester 2006/2007 absolviert, war Judith Hermann angereist, Studentin des internationalen Masterstudienganges World Heritage Studies der BTU. Sie konnte den Ernst-Frank-Förderpreis entgegennehmen. «Eine Archäologin mit Faible für das Theater» , nannte sie Dr. Monika Rau von der BTU, «eine Frau, die in anderen Ländern Impulse für Kulturverständnis sucht und dafür wirbt.»
Dieser Festakt hat heute so etwas wie einen Epilog. Um 20 Uhr gibt es im Foyer der Kammerbühne einen «Theatertreff extra» . In seinem Mittelpunkt steht eine kleine, aber doch so große Frau: Ursula Hulme. Sie wird Auskünfte geben über ihre Zeit in Cottbus, über die Nazibedrohung, die die Familie vertrieb, ihr Leben mit der Kunst und ihr Engagement für kranke und behinderte Menschen. Eine Jahrhundertzeugin redet.

Von Klaus Wilke