In der Schriftenreihe MIKOWA werden working paper aus dem Institut für Soziale Arbeit / der Forschungsplattform Migration, Konflikt und sozialer Wandel“ (MIKOWA) publiziert.

Dialog-Veranstaltungen als Demokratisierung? Eine Analyse der Bürgerdialoge in Cottbus in Zeiten völkisch-autoritärer Mobilisierung. Ergebnisse eines Forschungsprojektes

Heike Radvan, Michael Raab

Viele Gemeinden in der Region Lausitz sind herausgefordert, einen Umgang mit völkisch- autoritären Akteuren und ihren Strategien zu finden. In der Stadt Cottbus mobilisiert seit dem Spätsommer 2017 ein Zusammenschluss aus extrem rechten und völkisch-autoritären Gruppierungen auf Demonstrationen und Kampagnen. Ähnlich wie andere Kommunen auch, greifen Verantwortliche in Cottbus in dieser Situation zu Beginn des Jahres 2018 auf das Format »Bürgerdialog« zurück, entsprechende Veranstaltungen finden in sechs Stadtteilen statt. Wir stellen die Ergebnisse unserer Forschung zu den Bürgerdialogen vor. Unter Anwendung der Grounded Theory wurden drei Veranstaltungen vertiefend analysiert und Kategorien gebildet. Im Vordergrund steht die Frage, wie die Diskurse auf den Veranstaltungen in Cottbus verlaufen, welche Themen auf welche Weisen angesprochen werden und welcher kommunikative Umgang damit gewählt wird. Zudem interessieren uns Gelingensfaktoren im Sinne des Ermöglichens eines demokratischen Dialoges: Wie können unter den spezifischen Bedingungen – Teilnehmende, die bewußt und z.T. strategisch die Regeln des Sagbaren brechen, diskriminieren und z.T. nicht am Austausch von sachbezogenen Argumenten interessiert sind – diese Veranstaltungen vorbereitet und durchgeführt werden, um einen Verlauf im Sinne demokratischer Standards zu gewährleisten. Diese (anwendungsbezogene) Fragestellung ist bislang kaum Gegenstand empirischer Forschung.

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Working paper 1

Müssen wir zuhören? Besorgte Bürger*innen – Resonanzräume zwischen legitimem Protest und Demokratiefeindlichkeit. Eine Forschungsnotiz.

Christian Seipel, Susanne Rippl

„Besorgte Bürger*innen“ grenzen sich in ihrem Selbstverständnis davon ab, rechtsextreme Orientierungen aufzuweisen. Das Ziel der folgenden Analysen ist es, der Frage nach den tatsächlichen Motivlagen der „besorgten Bürger*innen“ genauer nachzugehen und die Rolle verfestigter rechtsextremer Weltbilder im Vergleich zu Protestmotiven zu beleuchten. Dazu werden empirische Befunde des Sachsen-Monitors 2018, der Mitte-Studien von 2016 und 2018 sowie Ergebnisse teilnehmender Beobachtungen von Pegida-Demonstrationen herangezogen. Die empirischen Analysen weisen aus, dass es sich bei den „besorgten Bürger*innen“ keineswegs um „normale Durchschnittsbürger*innen“ handelt – ihr Einstellungs-profil weicht deutlich von dem der übrigen Bevölkerung ab. Der Beitrag schließt mit Überlegungen, ob „Zuhören“ und „mit Rechten reden“ geeignete Mittel in der politischen Auseinandersetzung sind. Ferner wird die Frage diskutiert, inwieweit im Kontext des vorgelegten Forschungsdesigns Prozesse des „Othering“ die Ergebnisse beeinflussen könnten.

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Working paper 2

Netzwerke als Baustein der Sozialen Arbeit im Kontext von Fluchtmigration. Eine kritische Exploration zu Herausforderungen in Brandenburg

Kathrin Coobs

Flüchtlingssozialarbeitende stehen in der Arbeit mit Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, nicht nur vor der Aufgabe, die formellen Voraussetzungen (Asylanträge, rechtliche Voraussetzungen für Duldungen und/oder Aufenthaltsbestimmungen etc.) innerhalb kürzester Zeit erfüllen zu müssen. Sie müssen parallel dazu den informellen Teil (Sprache, traumatische Fluchterfahrungen, Trauer und/oder Angst über zurückgebliebene Familienangehörige, mitgebrachte Traditionen etc.) integrieren. Bei dieser hohen Komplexität ist es wichtig in einem professionellen Netzwerk agieren zu können, um der Multikomplexität gerecht zu werden. Besonders in einem Flächenland wie Brandenburg stellt diese Form der Parallelität formeller und informeller Aufgaben eine besondere Herausforderung dar. Neben den professionell-organisierten Netzwerken, treffen wir in Brandenburg auf selbstorganisierte Netzwerke, kleine private Netzwerke und dem Netzwerk des Ehrensamtes. Im Rahmen einer Studie über Netzwerkarbeit in Brandenburg fand eine kurze Evaluation über vorhandene Netzwerke und deren Wirksamkeit statt, in deren Ergebnis die Idee einer Triangulation für eine höhere Effektivität zur Diskussion gestellt wird.

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Working paper 3

Politik des Zuhörens. Über Ausschluss, Exil und Marginalisierung bei Judith Shklar, Hannah Arendt und Iris Marion Young

Julia Schulze Wessel

In klassischen Demokratietheorien erlangt die „Kunst des Zuhörens“ kaum eine gewichtige Relevanz. Dabei lässt sich an den öffentlichen Diskussionen der letzten Jahre sehen, dass sie durchaus bedeutungsvoll ist und ihr eine eigene demokratische Qualität beigemessen werden muss. Im vorliegenden Aufsatz wird das ‚Zuhören‘ als eine produktive Tätigkeit vorgestellt. Mit drei politischen Theoretikerinnen wird gezeigt, welche selbstreflexive Kraft im Zuhören liegt. Dabei bekommen marginalisierte Stimmen eine besondere Bedeutung. Denn von den Rändern der Gesellschaften aus können Spannungen und Widersprüche demokratischer Gesellschaften aufgezeigt werden.

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Working paper 4

Das Menschenrechtsmandat in der Sozialen Arbeit: die Ambivalenzen des Fundaments der Profession

Ralf Mahlich

Auseinandersetzungen um Menschenwürde und Menschenrechte finden sich seit vielen Dekaden in unterschiedlichen philosophischen, politischen und religiösen Strömungen. Diese Auseinandersetzungen werden im Folgenden umrissen. Dabei wird der postkolonialen Kritik am westlichen Wissenskanon zum Entstehen der Menschenrechte besondere Beachtung gegeben; um im weiteren Verlauf die Frage zu diskutieren, in wie fern die bereits von Hannah Arendt thematisierte Wirkungslosigkeit der Menschrechte für Geflüchtete in der epistemischen Dominanz verankert ist und sich im methodologischen Nationalismus der Sozialen Arbeit fortsetzt. Außerdem ist nach weiteren historischen und aktuellen Prozessen der Hierarchisierung von Rechten für Menschen zu fragen, die im Kontext von Sozialer Arbeit eine Bedeutung haben.

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Working paper 5

„Es wäre gut, wenn Putin hier mal auskehren könnte“ Analysen zu Mobilisierungen (extrem) rechter Akteure in Cottbus in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022

Christian Obermüller, Heike Radvan, Johanna Schiffer

Die Stadt Cottbus ist seit mehreren Jahren durch extrem rechte und verschwörungsideologische Mobilisierung herausgefordert. Auch in der Covid-19-Pandemie ist Cottbus Schauplatz regelmäßiger Demonstrationen. Mit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verschiebt sich der inhaltliche Fokus der sogenannten Montagsspaziergänger sukzessive weg von der Pandemie und hin zum Krieg. Die hier vorliegende Forschung wendet sich den Protestveranstaltungen zu, die im Zeitraum vom 28. Februar bis 24. Oktober 2022 in Cottbus in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg organisiert werden und untersucht unter Anwendung der Grounded Theory ausgewählte Redebeiträge. Sie zielt darauf ab, die Inhalte und Darstellungsweisen der RednerInnen hinsichtlich der Gefahrenpotentiale einzuordnen und im Sinne anwendungsbezogener Forschung in Richtung Prävention und zivilgesellschaftlicher Gegenwehr weiterzudenken. Die Forschung zeigt: Ähnlich wie in anderen ostdeutschen Städten sind auch in Cottbus die Veranstaltungen von extrem rechten Akteuren und Gruppen dominiert; sie werden unterstützt von Teilen eines bürgerlichen Milieus der sogenannten gesellschaftlichen Mitte. Sichtbar wird außerdem: Akteure aus dem Coronaprotestmilieu haben sich weiter radikalisiert; verschwörungs- und insbesondere reichsbürgerideologische Inhalte dominieren die untersuchten Veranstaltungen und mischen sich mit prorussischen Positionen und dem Ideologem einer „eurasischen“ Neuordnung des europäisch-asiatischen Raums. Die Ablehnung „des Westens“ bildet ein wiederkehrendes Metanarrativ.

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Working paper 6