In den Dächern der St. Petersburger Eremitage sind konsequent in Eisen gefertigte Dachtragwerke vorzufinden, welche bis heute zum Großteil im ursprünglichen Zustand erhalten geblieben sind. Im Zuge der systematischen Aufnahme der eisernen Dachstühle der Neuen Eremitage ergibt sich die Möglichkeit, der Frage „Was ist konstruktive Qualität?“ anhand dieser über 160 Jahre alten Dachtragwerke nachzugehen.

1838 entwickelt Matthew Clark für den Winterpalast einen Binder-Typ, welcher grundsätzlich dem Polonceau-Binder gleicht. 1843 und 1844 kommen im Dachtragwerk der Neuen Eremitage zwei etwas modifizierte Ausformungen dieses Binder-Typus’ zum Einsatz. An diesen drei - in nur kurzen Zeitabständen nacheinander entwickelten - Binderausformungen sind Entwicklungsschritte gut ablesbar, womit sie sich für eine vergleichende Analyse und Bewertung sehr gut eignen.

Um eine Bewertung der „konstruktiven Qualität“ der Dachbinder zu ermöglichen, werden in dieser Arbeit in Form einer Bewertungsmatrix Qualitätskriterien aufgestellt. Die Analyse der drei Binderausformungen erfolgt zum einen durch eine konstruktive Analyse, in der das Herausstellen der konstruktiven Eigenheiten und deren Bedeutung sowie die Lokalisierung von systemimmanenten Schwachstellen in der Konstruktion im Vordergrund stehen. Zum anderen werden die verschiedenen Binderausformungen in statischer Hinsicht analysiert, was schwerpunktmäßig die Untersuchung des Tragverhaltens und die Bestimmung der Bauteilauslastungen unter den verschiedenen zu erwartenden Lasten beinhaltet. Mit Hilfe der anfangs aufgestellten Qualitätskriterien und auf Grundlage der Erkenntnisse der Binder-Analyse erfolgt eine Bewertung der Binderausformungen hinsichtlich ihrer „konstruktiven Qualität“.

Obwohl bei der Entwicklung der Binder für die Neue Eremitage auf die von Clark entworfene Binderkonstruktion zurückgegriffen werden konnte, sind in der Entwicklung u.a. auch Rückschritte offenkundig. Die nahe liegende Vermutung, dass ein späteres Entstehungsdatum der Konstruktion zwangsläufig eine Erhöhung der konstruktiven Qualität bedingt, wird für die hier betrachteten Binderkonstruktionen nicht bestätigt.