Der Dachstuhl der Neuen Eremitage St. Petersburg – statisch-konstruktive Analyse einer eisernen Tragstruktur aus vorindustrieller Serienfertigung

Diplomarbeit am Lehrstuhl für Bautechnikgeschichte und Tragwerkserhaltung, verfasst von Anne Schwebke im Sommer 2009

Die Neue Eremitage fügt sich als das zuletzt errichtete Gebäude in den ehemaligen Palastkomplex der russischen Zaren in St. Petersburg ein. Für den Bau dieses ersten öffentlichen Museums in Russland war als Architekt Leo von Klenze verantwortlich, die technische Umsetzung und damit auch die Dachtragwerke waren jedoch Aufgabe der dafür eingerichteten russischen Baukommission. Die Bauarbeiten begannen 1842, um 1844/45 wurden die Dachstühle errichtet und 1852 wurde eröffnet.
Der in dieser Diplomarbeit untersuchte Dachstuhl bedeckt den Südflügel entlang der Millionnaya – Straße über eine Länge von ca. 50 Metern und wird durch die dichte Reihung eines Bindertyps aus unterspannten Sparren gebildet. Wie alle Dachtragwerke des Gebäudekomplexes ist auch dieses komplett aus Schmiedeeisen gefertigt. Ziel der Arbeit war es, Tragverhalten und Tragfähigkeit des Dachtragwerkes zu analysieren und einen Ausblick auf notwendige weiterführende Untersuchungen zu geben.

Grundlage der Modellierung des statischen Systems im Programm RStab waren die vorliegenden, vor Ort erstellten Unterlagen zum Aufmaß sowie der Konstruktiven Bestandsaufnahme (KBA). Letztere liefern eine Übersicht über den Zustand des Dachtragwerkes und zeigen neben lokalen Schäden vor allem auch systemtypische Mängel wie spezifische wiederkehrende Verformungen. Um die Knotenausbildungen so realitätsnah wie möglich zu erfassen, begleiteten Parameterstudien die Modellfindung. Die Systemstabilität wurde am Modell einer Bindergruppe betrachtet.
Für die Beanspruchungen wurden die Lastannahmen nach DIN 1055 und SNiP 2.01.07-85 aufgestellt und verglichen, letztere bildeten dann die Grundlage der Berechnungen nach Theorie I. und II. Ordnung. Mithilfe einer einfachen statischen Handrechnung wurden die Ergebnisse verifiziert. Alle stahlbautypischen Nachweise erfolgten dann in Anlehnung an DIN 18800.
Mit den statischen Berechnungen konnten hoch ausgelastete bzw. auch rechnerisch überlastete Tragwerksbereiche insbesondere am Sparrenquerschnitt lokalisiert werden, wofür erste Ertüchtigungsmöglichkeiten erörtert wurden. Zudem konnten spezifische Aspekte des Tragverhaltens ermittelt werden wie z.B. die mangelhafte Längsaussteifung – ein grundsätzliches Problem dieser frühen, aus langen Binderreihungen bestehenden eisernen Tragwerke.