Reaktionsverhalten anionischer Oxidationsmittel beim metallassistierten Ätzen von Silicium
Das metallassistierte Ätzen ist ein Verfahren zur Oberflächenmodifizierung bzw.
-funktionalisierung von Silicium, das im Bereich der Herstellung von elektronischen Bauteilkomponenten und der Photovoltaik Anwendung findet. Die Forschung hat sich in der Vergangenheit vorwiegend auf die Charakterisierung der strukturellen Änderungen des Siliciums durch den Ätzprozess konzentriert. Weit weniger wurden dagegen die dahinter liegenden Reaktionsprozesse untersucht.
Bei vereinfachter Betrachtung erfolgt im ersten Schritt unter Zugabe einer HF-haltigen Ätzmatrix an einer Siliciumoberfläche eine Metallkationenreduktion zu Metall und gleichzeitig eine Siliciumoxidation und konsekutive Auflösung des oxidierten Siliciums zu Hexafluorokieselsäure. Eine weitergehende Dotierung der Ätzlösung mit einem anderen Oxidationsmittel, z. B. Salpetersäure, führt dann zu einem Einsinken des zuvor abgeschiedenen Metalls in das Silicium unter Verbrauch des Oxidationsmittels und fortlaufender Siliciumauflösung. Dieser Prozess wird von einer unterschiedlich intensiven Gasbildung begleitet. Über die Ursache dessen herrscht in der Literatur Dissens, wenngleich die Meinung überwiegt, dass diese auf eine co-existierende Protonenreduktion am Silicium zu Wasserstoff zurückzuführen sei. Zur Bewertung der einzelnen Theorien existieren jedoch nahezu keine Prozessgasanalysen. Bestimmte Aspekte der Modellvorstellungen stehen auch im Widerspruch zu publizierten Befunden aus Analysen zu Ätzlösungen und Siliciumoberflächen.
An dieser Stelle setzt das Forschungsvorhaben thematisch an. Mithilfe prozessbegleitender Analytik des Ätzprozesses an der Fest-, Flüssig- und Gasphase sollen die Reaktionsabläufe konkret in Bezug auf die Verwendung anionischer Oxidationsmittel zum metallassistierten Ätzen nachvollzogen und zu einer analytisch fundierten Theorie zusammengefasst werden. Dabei kann unter anderem auf REM-EDX und DRIFTS-Messungen zur Charakterisierung der Siliciumoberfläche zurückgegriffen werden. Proben aus den Ätzlösungen lassen sich per ICP-OES-, IC-, Raman- und UV/VIS-Messtechnik analysieren. Die Erfassung der gasförmigen Produkte erfolgt unter Kopplung des Versuchsstands mit einem Gasphasen-Massenspektrometer.
Im Ergebnis der Untersuchungen lässt sich konstatieren, dass die in HF-Matrix sich ausbildende Wasserstoffterminierung auf dem Silicium den Ätzangriff limitiert und in vielfacher Hinsicht den Prozessablauf bestimmt. Das auf dem Silicium abgeschiedene Metall wirkt je nach Eigenschaften des Metalls selbst und die des anionischen Oxidationsmittels entweder inhibierend oder forcierend bzw. auch dirigierend in Bezug auf den Ätzangriff. Die in der Literatur postulierte co-existierende Protonenreduktion findet statt, allerdings nur unter bestimmten Prozessbedingungen und, gänzlich anders als bislang angenommen, über mindestens einen radikalischen Zwischenschritt. Bei der Oxidation des Siliciums sind außerdem Wasser und mehrere anionische HF-Spezies involviert, die gleichzeitig und auch im Zusammenwirken mit der Spezies HF die Siliciumauflösung bewirken. Der während des Ätzprozesses aufkommende Wasserstoff kann auf insgesamt drei Ursachen zurückgeführt werden. Zusätzlich treten bei der Reduktion der Anionen weitere gasförmige Intermediate auf. Das metallassistierte Ätzen des Siliciums ist damit ein weitaus komplexerer Prozess, der durch die gängigen Thesen nur unzureichend abgebildet wird.