Umsiedlungspraxis in deutschen Braunkohlegebieten. Eine städtebaulich-architektonische Analyse im Kontext sozialer, politischer und planungsgeschichtlicher Prozesse
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden deutschlandweit mehr als 370 Orte mit insgesamt rund 120.000 Einwohnern aufgrund von Braunkohletagebauen umgesiedelt. Die Umsiedlungsplanungen spiegeln in hohem Maße gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Wandel sowie die Entwicklung städtebaulicher Konzepte und architektonischer Leitbilder wider.
Bei der angewandten Umsiedlungspraxis kann grundsätzlich zwischen vier Konzepten unterschieden werden. In der ehemaligen DDR war es beispielsweise bis in die 1980er Jahre üblich, dass die Umsiedler Neubauwohnungen („Kohleersatzwohnungen“) in Plattenbauweise am Rand größerer Städte erhielten, wie zum Beispiel in den Neubaugebieten in Cottbus, Senftenberg oder Hoyerswerda.
Im westdeutschen Rheinischen Braunkohlenrevier kam bereits ab den 1950ern das Konzept der gemeinsamen Umsiedlung zur Anwendung. Damals entstanden neugeplante Orte, die als musterhaft galten und deren typisierte Architektur und autogerechte Siedlungsstruktur den modernen Vorstellungen der Zeit entsprachen.
Heute ist in ganz Deutschland das Konzept der Bürgermitwirkung (Partizipation), das die Umsiedler bei allen Planungsschritten beteiligt, ein zentrales Element der gemeinsamen, „sozialverträglichen“ Umsiedlung.
Das Forschungsvorhaben beschäftigt sich mit braunkohlebedingten Umsiedlungsmaßnahmen in der Lausitz und dem Rheinland aus planungs- und architekturgeschichtlicher Sicht. Dabei soll die jeweilige Umsiedlungspraxis im Kontext sozialer, politischer und planungsgeschichtlicher Prozesse analysiert werden.
Anhand ausgewählter Orte werden die Umsiedlungskonzepte und der Einfluss der jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen untersucht und eine Typologie der Umsiedlungsstrategien erarbeitet.
Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung Erkner durchgeführt.
Bearbeiterin: Julia Ess