Eladio Dieste Saint Martin (1917 – 2000) Erfindungen

Liste der von Dieste genutzten Technologien

Die Ziegelschalenbauweise Diestes zog oftmals bestimmte Schwierigkeiten nach sich, für die individuelle Lösungen gefunden werden mussten. Dieste entwickelte daher mit ähnlich großer Kreativität, mit der er seine Bauten entwarf, spezielle Maschinen, die das Arbeiten auf der Baustelle erleichterten und verbesserten. 

JahrErfindung/Technologie
1946Ceramica armada - Das bewehrte Mauerwerk
1962Gato hidraulico – Hydraulik zum Vorspannen von Bewehrungseisen
1965Perforadora para pilotes in situ – Selbstfahrende Apparatur zum Einsetzen von Gründungspfählen
o.A.Sistema motorizado para subir y bajar los encofrados Perforadora para pilotes – Vorrichtung zum Anheben und Absenken von Einschalungen
o.A.Mesa para fundaciones de maquinas – Maschinenunterbau

Beschreibung der von Dieste genutzten Technologien

Ceramica armada – Das bewehrte Mauerwerk

Ceramica armada. Allgemeines

Diestes Bauten liegen in ihrer Formgebung und ihrem Tragverhalten näher an Stahlbetonbauwerken als an traditionellen Mauerwerkskonstruktionen. Wie im Stahlbetonbau bilden die unterschiedlichen Materialien Ziegel, Mörtel und Bewehrungseisen konstruktiv eine Einheit. Diese Möglichkeit den druckbeanspruchbaren Tonziegel mit dem zugfesten Stahl zu verbinden wurde zwar schon von anderen Ingenieuren vor Dieste entdeckt und genutzt, doch gab es niemanden vor Dieste, der die Möglichkeiten des bewehrten Mauerwerks in dieser Art und Weise erforschte, entwickelte und in prächtigen Bauwerken sowie eindrucksvollen Schalenkonstruktionen anwendete.

Ceramica armada. Aufbau

Diestes Schalen sind grundsätzlich aus zwei Schichten aufgebaut (siehe Abb. 4.01. und 4.02): Die untere Schicht besteht aus Vollziegeln oder aus speziell geformten Hohlziegeln. Diese Hohl- bzw. Lochziegel sind in ihrem Querschnitt so geformt, dass sie an der Unterseite der Schalen ein enges und vor allem gleichmäßiges Fugenbild auch bei unterschiedlichen Krümmungsradien ausbilden. An der Oberseite der Ziegelschicht bilden diese Formsteine eine breite Fuge, in der die Bewehrung auch bei doppelter Krümmung leicht verlegt werden kann. Die Bewehrung wird in dieser Schicht zwischen den Steinen sowohl in den Lager- als auch in den Stoßfugen eingebracht. Die Bewehrungseisen liegen hier in zwei Lagen übereinander, um eine hohe Biegetragfähigkeit zu gewährleisten. Die obere Schicht bildet eine dünne Lage aus Zementmörtel. Diese hat selbst keine statische Wirkung, sondern dient zur Vermeidung von Rissen in der Konstruktion und zum Schutz der Bewehrungseisen vor der Witterung. In dieser Mörtelschicht liegt eine Netzbewehrung und je nach Beanspruchung eine Spannbewehrung.

Ceramica armada. Herstellung

Der Prozess der Herstellung ist bei Diestes Schalenkonstruktionen in einzelne aufeinanderfolgende Arbeitsschritte gegliedert: Zunächst wird eine Schalung aus Holz in der vorgegebenen Form errichtet (siehe Abb. 4.03). Auf diese Schalung werden anschließend Halbrundprofile aufgenagelt. Diese Leisten dienen zum einen die von unten sichtbaren Fugen der Schalen auszubilden, zum anderen vereinfachen sie das Verlegen der Ziegel (siehe Abb. 4.04). Danach werden die einzelnen Ziegelsteine zwischen den Holzleisten eingelegt (siehe Abb. 4.05). In den Zwischenräumen der einzelnen Ziegel werden schließend die Bewehrungseisen verlegt und der Fugenmörtel eingebracht (siehe Abb. 4.06). Auf diese Mauerwerksschicht wird die Mörtelschicht mit der entsprechenden Bewehrung verlegt (siehe Abb. 4.07). Nachdem der Mörtel vollständig abgebunden ist und sich somit aus den einzelnen Materialien eine Einheit gebildet hat, wird die Schalung entfernt. Die Rüstung der ersten Schale wird mit den Holzprofilen für weitere Schalen wiederverwendet. Dies beschleunigt und vereinfacht den Bauablauf, senkt die Baukosten und gewährleistet eine einheitliche Ausformulierung der einzelnen Schalen konstruktiv wie gestalterisch.

Ceramica armada. Abweichungen vom traditionellen Mauerwerksbau

Diestes Ziegelschalenkonstruktionen verstoßen gegen bestimmte Gebote, die die Wahrnehmung von traditionellen Mauerwerksbauten prägen. Dadurch beeindrucken, überraschen und verwundern sie ihre Betrachter in gleichem Maße. Das Auge des Betrachters ist an einen Kanon von architektonischen Gestaltungsprinzipien gewohnt, der sich aus der herkömmlichen Konstruktionsart von Ziegelbauten ableitet. Diestes Konstruktionsprinzipien beruhen jedoch auf gänzlich anderen Voraussetzungen und ziehen somit auch neue Gesetzmäßigkeiten für die formale und gestalterische Ausformulierung nach sich: 

Traditionelle Mauerwerke werden stets in einem bestimmten Mauerwerksverband gebildet. Dies ist notwendig, da durch die Verzahnung der einzelnen Ziegel miteinander ein tragfähiges Gesamtgefüge hergestellt wird. Diestes Schalenkonstruktionen werden konsequent mit Kreuzfugen vermauert, d.h. die Fugen verlaufen kreuzweise in beiden Orthogonalen (siehe Abb. 4.08). Dies ist konstruktiv notwendig, da hierdurch die Bewehrungseisen ebenfalls orthogonal verlegt werden können und somit ein gleichmäßiger Lastabtrag in alle Richtungen gewährleistet wird. Das orthogonale Fugennetz erinnert den Betrachter eher an ein Mosaik aus einzelnen Schmucksteinen als an eine konstruktiv und tragfähig ausformulierte Ziegelwand.

Ebenfalls werden die Ecken in herkömmlichen Mauerwerksbauten im Verband vermauert, um ein feste Gesamtstruktur herzustellen. Die Ecken bei Diestes Schalenkonstruktionen werden wiederum mit einer durchgehenden Fuge direkt an der Kante ausgebildet. Hierzu werden die Ecksteine sogar auf Gehrung gesägt und verlegt (siehe Abb. 4.08).

Gewöhnlich werden Ziegelmauern als ebene Flächen ausgeführt. Dies führt in ihrer Addition als einzelnes Bauteil oft zu stark orthogonal-geometrischen Baukörpern. Dieste hingegen realisiert leicht wirkende Schalen und geschwungene Wandflächen (siehe Abb. 4.09). Ebenso überspannt er Räume mit flachen Ziegelschalen, während herkömmliche Deckenplatten eher selten aus plan verlegten Tonziegelkonstruktionen.

Mauerwerksöffnungen schwächen das Gesamtgefüge der Wand. Daher werden sie im traditionellen Massivbau für gewöhnlich schmal und hoch ausgeführt und ihre Anordnung folgt einem strengen Rhythmus innerhalb der Fassadengestaltung. Dieste versucht Öffnungen weitgehend zu vermeiden. Licht und Luft treten bei seinen Bauwerken oft zwischen den einzelnen Bauteilen ins Innere ein. Sparsam greift Dieste jedoch auch auf Öffnungen des Mauerwerks zurück, um das Licht frei und spielerisch im Raum zu verteilen und es so zu inszenieren (siehe Abb. 4.10).

Gato hidraulico – Hydraulik zum Vorspannen von Bewehrungseisen

Um die Ziegelschalen möglichst dünn ausführen zu können, ließ Dieste oftmals die verlegten Armierungseisen vor der endgültigen Abdeckung in Mörtel vorspannen. Dazu wurden in den zugbeanspruchten Elementen vor allem der Tonnenschalen die Armierung über dem Ziegelwerk in ösenförmigen Schlaufen verlegt. Die zunächst parallel verlaufenden Spanneisen wurden anschließend mittig zusammengezogen und mit einer Stahlklammer fixiert (siehe Abb. 4.07 und 4.11). Damit die Schleifen sich nicht aufeinander zu bewegten, sondern eine Spannung in die Bewehrung eingebracht werden konnte, wurden die Eisen in den Schleifenbereichen beim Zusammenziehen schon in die Abdeckschicht eingemörtelt. Da im damaligen Uruguay kein Gerät aufgetrieben werden konnte, das die Voraussetzungen bot, Armierungen dieser Art und in der gegebenen Größe vorzuspannen, ging Dieste nach einer für Entwicklungsländer vielleicht typischen Vorgehensweise vor: Aus Vorhandenem entwickelte er eine individuelle und kreative Lösung. So wurde ein Wagenheber für LKW zunächst umfunktioniert und immer weiterentwickelt (siehe Abb. 4.12).

Perforadora para pilotes in situ – Selbstfahrende Apparatur zum Einsetzen von Gründungspfählen

Um Pfähle für Pfahlgründungen in den Boden einbringen zu können, erfand Dieste eine fahrbare Bohrvorrichtung. Bei dieser Gerätschaft wird ein und derselbe Motor genutzt, um die Räder zur Fortbewegung sowie den Bohrer anzutreiben. Zum Eindringen in den Boden wird die Kraft des Motors über eine Welle auf den Antrieb des Bohrers übertragen. Bei härteren dünnen Bodenschichten kann der Pfahl sogar angehoben und wieder fallen gelassen werden. So wird mit dem Eigengewicht des Pfahles der harte Boden zerstört, anstatt diesen zu durchbohren und die Messer des Bohrers werden geschont. Durch Abkippen des Bohrers sind auch Schrägbohrungen möglich (siehe Abb. 4.13).

Sistema motorizado para subir y bajar los encofrados Perforadora para pilotes – Vorrichtung zum Anheben und Absenken von Einschalungen

Die Bauten des Unternehmens Dieste y Montanez, S.A. zeichnen sich neben einer ausgewogenen Einheit von Bautechnik und gestalterischem Anspruch auch durch geringe Bauzeiten sowie niedriger Baukosten aus. Dies wurde u.a. durch Aneinanderreihungen von gleichen Schalen in einem Bauwerk erreicht. So konnte auf wiederverwendbare Einschalungen zurückgegriffen werden: Nach Fertigstellung einer Schale wurde die Schalung leicht abgesenkt und an die Stelle der nächste Schale gefahren werden, anstatt die gesamte Einschalung ab- und wieder neu aufzubauen. Da Diestes Schalen oft sehr weite Spannweiten (bis zu 50 Meter) überdecken, konnten die benötigten Sicherheitsvoraussetzungen von der uruguayischen Produktionsindustrie nicht gewährleistet werden. Zunächst dachte Dieste darüber nach, ein Sicherheitsgerüst an eine bestehende Hydraulik anzufügen. Da sich dies aber als nur wenig erfolgreich herausstellte, entwickelte er eine fahrbare Unterkonstruktion, die die Schalung absenken und wieder anheben konnte (siehe Abb. 4.14). 

Mesa para fundaciones de maquinas – Maschinenunterbau

Zur Aufnahme von Vibrationen und Schwingungen wurden leistungsstarke Maschinen und Generatoren üblicherweise auf aufwändige und teure Basisblöcke aus massivem Beton mit wenig Armierung gestellt. Dieste hat in insgesamt neun Fabriken eine alternative Lösung mit geringeren Kosten eingesetzt. Diese waren zwar leicht variiert, basierten aber grundsätzlich auf derselben Idee: Ein Unterbau aus Stahl (bis zu 18 Meter x 14 Meter x 6 Meter) mit sechs Beinen, die teilweise noch in Dreifüße aufgelöst wurden. Diestes Alternative zu den massiven Betonblöcken war nicht nur kostengünstiger im Bau; auch die langen Betriebsdauern von bis zu über zwanzig Jahren zogen nur geringe Nachfolgekosten nach sich (siehe Abb. 4.15).