Pier Luigi Nervi (1891 – 1979) Biografie

Tabellarische Biografie
1891Am 21. Juni in Sondrio geboren.
1913Studierte an der Universität von Bologna.
1915Bis 1918 Pionieroffizier im ersten Weltkrieg.
1915Anmeldung von Patenten zu Treibstoffgasen und Explosionsvorgängen bis 1916.
1918Aktiengesellschaft für Zementbauten in Florenz bis 1923.
1919Aufnahme in Florentiner Ingenieurgesellschaft.
1920Beginn mit der ständigen Auseinandersetzung mit der Problematik dünner Stahlbetonwände.tiner Ingenieurgesellschaft.
1920Gründung seines eigenen Büros „Nervi und Nebbiosi“ in Rom.
1923Publikation „Ingegneria“ über Trägerbrücken.
1929Teilnahme am Wettbewerb zum Berta-Stadion Florenz, den Nervi gewann.
1932Namensänderung des Ingenieurbüros in „Nervi und Bartoli“
1935Teilnahme am Wettbewerb Flugzeughangar in Orvieto.
1939Patentanmeldung: Vorgefertigte Betonelemente/ Stahlbetonelemente.
1940Erfindung: Ferrozement.
1943Patent für Spannbetonfertigteile mit einer Spannweite von 300 m.
1946Hauptbahnhof Palermo.
1946Patentanmeldung: Ferrozement.
1946Professur am Lehrstuhl Konstruktionstechnik und Materialkunde der Universität Rom, Architekturfakultät.
1953Beginn der Planungen zum UNESCO-Gebäude in Paris.
1955Planung am Pirelli-Turm (Mailand) bis 1959.
1956Arbeit am Palazzetto dello Sport, Rom. Später auch der Palazzo dello Sport (1959-1960). Beide Bauwerke entstanden im Rahmen der Olympiade von 1960 in Rom.
1958Corso Francia Viadukt, Rom. Bis 1960.
1960Goldmedaille des Königlichen Instituts Britischer Architekten (RIBA).
1961Zusammenarbeit mit Japanischen Architekten bis 1971.
1964Goldmedaille des American Institute of Architects (AIA).
1971Fertigstellung der Marienkathedrale, San Francisco, USA.    
1979Am 09. Januar in Rom gestorben.

Pier Luigi Nervi

Pier Luigi Nervi wurde am 21. Juni 1891 als Sohn eines Postbeamten in Sondrio geboren und ist am 09. Januar 1979 in Rom gestorben. Er studierte ab 1913 Bauingenieurwesen an der Universität von Bologna und schloss mit dem Diplom ab.

Militärdienst

Infolge des ersten Weltkriegs wurde Nervi am 15. Juni 1915 zum Kriegsdienst als Leutnant der Pioniergruppen gerufen. Eine Versetzung in die 69. Kompanie führte ihn am 12. März 1916 wieder nach Bologna. Dort begann er sich für Luftfahrt und Mechanik zu interessieren und führte verschiedene Untersuchungen durch, welche letztendlich in den Bereichen Treibstoffgase und Explosionsrisiken zu ingeniösen Patenten führten. Seine Untersuchungsergebnisse fanden im weiteren Verlauf des Krieges viele militärische Anwendungen. Nach drei Jahren bekam Nervi am 09. September 1919 seine Entlassung aus dem Militärdienst.

Lehrjahre bei Muggia

Im gleichen Jahr zog es ihn nach Florenz, wo er im Büro von Muggia zu arbeiten begann. Muggia wurde Nervis Lehrmeister. Dieser vermittelte ihm die grundlegenden Kenntnisse über Beton. Zeitgleich wurde Nervi in die Aktiengesellschaft für Zementbauten aufgenommen. Dort bekam er die Möglichkeit praktische Erfahrungen zu sammeln und Experimente durchzuführen.

Im Büro von Muggia erhielt Nervi seine ersten verantwortungsvollen Projekte, für die er unter anderem die statischen Berechnungen durchführte. Noch im selben Jahr wurde Nervi in der Florentiner Ingenieurgesellschaft aufgenommen.

Das erste Projekt, für welches er die ganze Verantwortung hatte, erhielt Nervi 1920. Es war eine Brücke über den Fluss Cecine in der Toskana. Mit diesem Projekt machte Pier Luigi Nervi seine ersten Erfahrungen mit der Problematik dünner Stahlbetonwände. Neben dem Arbeiten als Ingenieur begann er 1920 auch mit dem Publizieren. Erste Artikel in Zeitungen folgten.

Das eigene Büro in Rom

Schon 1920 gründete Nervi sein erstes eigenes Ingenieurbüro "Nervi und Nebbiosi". Ab 1932 führte es den Namen "Nervi und Bartoli" (ital.: "Soc. Ing. Nervi e Bartoli"). In der Firma arbeiteten später ebenfalls drei seiner vier Söhne; zwei als Architekten und einer als Bauingenieur.

Am 01. Mai 1923 war die Abnahme der geraden Trägerbrücke über den Fluss Pescia, die zu den ersten Arbeiten des Büros zählt. Im gleichen Jahr veröffentlicht Nervi seine Erfahrungen mit Trägerbrücken im Buch "Ingegneria".

Das Büro feierte seine ersten Erfolge. Darunter zählte auch der Gewinn des Wettbewerbs zum Berta-Stadion in Florenz (das heutige Stadio Artemio Franchi) im Jahre 1929. Das Stadion konnte innerhalb von 3 Jahren fertig gestellt werden. Durch ästhetische und tragwerkstechnisch schwierige Details, wie die freitragenden Treppen und dem auskragendem Dach, erhielt das Bauwerk weltweite Bewunderung.

1932 erfand Nervi das Tonnengewölbe mit sich kreuzenden und diagonal verlaufenden Formen, die auf schiefen Säulen auflagern. 1935 und 1942 gewann Nervi weitere Wettbewerbe, wo er diese Bauform verwendete. Umgesetzt wurde das Tragwerk bei einer Serie von Flugzeughangars. Mit den Hangars sammelte Nervi seine ersten Erfahrungen im Hoch-Tiefbau. Das lange Tonnengewölbe wurde auf einem Raster gebildet. Zum Einsatz kamen auch Stahlbetonrippen, die er im gleichen Jahr erfand. Ab 1939 experimentierte Nervi intensiv an vorgefertigten Elementen, die er besonders bauwirtschaftlich fand.

Nervi entwickelte 1940 infolge einiger Forschungen den Ferrozement (engl.: Ferrocement, ital.: Ferrocemento). Es war besonders für dünnwandige Bauteile geeignet und bestand aus Zementmörtel mit einem hohen Bewehrungsgrad, der durch Maschendraht erreicht wurde. Unter Verwendung des Ferrozements konnten Gebäude mit großen und komplexen Strukturen erstellt werden. Nervi nutzte den Verbundstoff auch beim Bau eines Segelbootes, für das er große Anerkennung erhielt. Die Wandstärke des Rumpfes betrug nur 1,25 cm.

Anerkennung seiner Arbeit

Ab 1946 wurde Nervi Mitglied bzw. Ehrenmitglied zahlreicher inländischer und ausländischer Akademien, erhielt hohe Auszeichnungen des italienischen Staates sowie Medaillen und Diplome von traditionellen Architekten- und Künstlervereinen.

Die internationale Anerkennung lag nicht nur in der technischen Leistung sondern auch in der Gestaltung und in der Wirtschaftlichkeit der Projekte. Mit seinen wirtschaftlichen Verfahren wurde er auch in Australien und den Vereinigten Staaten bekannt.

Es folgten Lehraufträge und akademische Auszeichnungen. 1946 bis 1961 war er Professor an der Universität in Rom im Fachbereich Architektur. Er hielt dort Vorlesungen zum Thema Konstruktionstechnik und Materialkunde. In dieser Zeit wurde Nervi auch die Ehrendoktorwürde verliehen. Andere Universitäten luden Nervi als Gastprofessor ein. Dort berichtete er über seine Patente und Erfahrungen mit Beton und Stahlbeton.

Zwei als besonders hervorzuhebende Auszeichnungen, die Nervi erhielt, sind die Goldmedaille des Königlichen Instituts Britischer Architekten (kurz: RIBA; London, Großbritannien; 1960) und Goldmedaille des American Institute of Architects (kurz: AIA; Washington D.C., USA; 1964).

In den 50er und 60er Jahren begann Nervi international zu arbeiten. Mit Marcel Breuer entwickelte er Designs für Hochhäuser. Aus der Zusammenarbeit entstand das UNESCO-Gebäude in Paris (1953-1958). Kurze Zeit später plante Nervi ein weiteres sehr bekanntes Hochhaus - den Pirelli-Turm in Mailand. In den Jahren zwischen 1961 und 1971 folgten Arbeiten mit japanischen Architekten.

Schon zu Lebzeiten Nervi's erschienen viele Publikationen über ihn. Major Maté berichtet in seiner Monografie über "Pier Luigi Nervi" [MATÉ/ KUBINSKY [Übers.] 1970, S. 5], dass bereits "wenigestens fünfundachzig Schriften, Bücher und Artikel" bis 1970 erschienen sind. Doch es entstanden nicht nur Schriften über ihn, sondern Nervi selbst veröffentlichte viele Schriften. Maté beziffert Nervi's eigene Publikationen auf "etwa fünfundvierzig", die bis 1965 erschienen. Für verschiedene Schriften erhielt der Ingenieur und Architekt in den Jahren 1945, 1950, 1954, 1956 und 1963 Auszeichnungen.