Hans Ulrich Grubenmann (1709 – 1783) Biografie

Tabellarische Biografie

JahrEreignis
1709Geburt von Hans Ulrich Grubenmann am 23. März in Teufen, Kanton Appenzell Außerrhoden, Schweiz.
1720er  Kurzer Schulbesuch in Teufen.
1720erAusbildung in seiner Familie.
1732Hochzeit mit Anne Gähler geborene Walser († 1768). Ehe kinderlos bleibend.
1754Bewerbung für den Bau der Brücke in Schaffhausen (Kanton Schaffhausen, Schweiz), das bedeutendste Projekt Grubenmanns, und anschließende Einladung nach Schaffhausen.
1755Erhalt des Auftrags zum Bau der Brücke von Schaffhausen.
1759Fertigstellung der Brücke von Schaffhausen mit dem Abbruch des Baugerüstes.
1763Erhalt des Auftrags zum Bau der evangelisch-reformierten Kirche in Wädenswil, Kanton Zürich, Schweiz.
1764Vertragsabschluss für den Bau der Brücke in Wettingen (Kanton Aargau, Schweiz) am 27. Dezember.
Ab 1766Grubenmann auch als Gutachter tätig.
1769Hochzeit mit Magdalena Fässler († 1778).  Aus Ehe fünf Kinder hervorgehend. Jedoch früher Tod aller Kinder.
1779Hochzeit mit Anna Müller. Ehe ebenfalls kinderlos bleibend.
1783Ableben Grubenmanns am 22. Januar in Teufen, Kanton Appenzell Außerrhoden, Schweiz.

Biografie in Textform

Die Baumeisterfamilie Grubenmann

Hans Ulrich Grubenmann (1709-1783) entsprang einer Familie von Zimmerleuten und Baumeistern. Nebst ihm wirkten noch weitere sechs Familienangehörige im Baugewerbe. Bereits um 1600 lässt sich die Familie eines Ulrich Grubenmann-Wagner im Weiler (= Wohnsiedlung) Gstalden (Kanton Appenzell Außerrhoden, Schweiz) zwischen Teufen und St. Gallen belegen. Das erste bekannte Werk der Familie Grubenmann hinterließ Ulrich bzw. Uli Grubenmann (1668-1736) im Jahre 1714 mit dem Bau der Kirche in Schönholzerwilen (Kanton Thurgau, Schweiz). Ulrich Grubenmann war der Vater der drei bekanntesten „grubenmannschen“ Baumeister Jakob, Johannes und Hans Ulrich. Der älteste Sohn, Jakob Grubenmann (1694-1758) wurde schnell als Kirchenbaumeister bekannt. Besonders auf seine hölzernen Dachkonstruktionen soll hier kurz hingewiesen sein – siehe Abb. 2.03. Schon früh bezog er seine beiden jüngeren Brüder in seine Arbeiten mit ein. Doch bald schon führten sie auch eigene Projekte aus. Johannes Grubenmann (1707-1771), der mittlere der drei Brüder, machte sich einen Namen als Palastbaumeister. Zeugnisse seiner Herrschaftshäuser finden sich in Speicher, Trogen und Herisau (alle Kanton Appenzell Außerrhoden, siehe Abb. 2.04). Gleichwohl war er auch die rechte Hand seines jüngeren Bruders Hans Ulrich Grubenmann. Beide Brüder arbeiteten gemeinsam an verschiedenen Brücken. Zu diesen gehören unter anderem die beiden Brücken von Reichenau über Rhein und Vorderrhein (Reichenau, Kanton Graubünden, Schweiz, vor 1751 erbaut) und die Brücke von Wettingen über die Limmat (Wettingen, Kanton Aargau, Schweiz, 1764-1766); zu Johannes‘ eigenen Brückenprojekten gehört bspw. die Brücke von Oberglatt (heute: Rümlang, Kanton Zürich,) aus dem Jahre 1767 (Abb. 2.05 und 4.09 (Innenansicht)). Während ihrer Schaffenszeit – genauer gesagt – während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fand die Holzbrückenarchitektur in der Schweiz ihren Höhepunkt. Das Wirken der Baumeisterfamilie scheint nach dem Bau des Pfarrhauses von Würenlos (Kanton Aargau, Schweiz, 1783-1786) ein Ende gefunden zu haben (Abb. 2.06) [KILLER 1998, S. 17, 198]. Doch zeigen Aufzeichnungen von eingereichten Entwürfen, dass sich die Grubenmanns nicht komplett aus dem Baugewerbe herausgezogen hatten: 1806 – Eglisauer Brücke [KILLER 1998, S. 17], 1809 – Brücke in Baden [KILLER 1998, S. 195], 1811 – Erweiterung der Kirche in Eggersriet [KILLER 1998, S. 17]. Es ist daher zu vermuten, dass irgendwo in den 25 Jahren nach Fertigstellung des Pfarrhauses in Würenlos und dem letzten eingereichten Wettbewerbsbeitrag Bauwerke entstanden, die möglicherweise nirgends aufgrund ihrer Einfachheit schriftlich festgehalten wurden. Gleichfalls lässt sich annehmen, dass die entsprechenden Quellen verschollen sind oder von Forschenden noch nicht eingesehen wurden. Die Familie Grubenmann war in ihrem Schaffen weit gefächert. Nebst Bauplanung führten sie ihre Planungen als Bauunternehmer und Zimmerer selbst aus. Auch fertigten sie Tischlerarbeiten und sogar Turmuhren an. Einen anschaulichen Stammbaum der Familie Grubenmann lässt sich dem Artikel „Hans Ulrich Grubenmann (1709-1783). Baumeister und Brückenbauer“ von Rosmarie Nüesch-Gautschi aus dem Jahre 1985 entnehmen [NÜESCH-GAUTSCHI 1985, S. 126-127].

Hans Ulrich Grubenmann

Hans Ulrich Grubenmann stach aus seiner Familie heraus. Er war Baumeister von zahlreichen Kirchen, vornehmen Wohnhäusern und weitspannenden Brücken. Berühmt wurde er im Gegensatz zu seinen Brüdern vor allem für seine gedeckten Holzbrücken, die ohne Zwischenpfeiler große Distanzen überspannen konnten.

Geboren wurde Hans Ulrich am 23. März 1709 im schweizerischen Teufen im Appenzeller Land. Er war der jüngste Sohn von Ulrich Grubenmann (1668-1736) und Barbara Zürcher und war Bruder von Jakob und Johannes Grubenmann. Teufen und Umgebung waren geprägt von alten Zimmermannstraditionen. So war es fast naheliegend, dass Hans Ulrich nach nur sehr kurzem Schulbesuch in den 1720er Jahren das Handwerk seiner Vorfahren erlernte. Seine berufliche Ausbildung zum Zimmermann und Brückenbauer erhielt Grubenmann direkt von seinem Vater und seinen Brüdern, die ihm Vorbild und Lehrmeister waren. Es liegen keine Zeugnisse über handwerkliche Schulungen bzw. theoretische Studien außerhalb des Familienbetriebs vor. 

Hans Ulrich als Brückenbauer

In Hans Ulrich Grubenmann kann man den Brückenbauer seiner durch Baumeister geprägten Familie sehen. Sein Meisterstück war vermutlich die Brücke von Schaffhausen. Unter Verwendung von Spreng- und Hängewerken verstand er es, mit Holzbrücken große Spannweiten zu erzeugen. Seine weitspannenden Konstruktionen lagen dabei weitaus höher über dem Wasserspiegel, als es vergleichbare Brückenentwürfe taten, weswegen sie weniger von Hochwassern gefährdet waren. Bereits während des Bauprozesses beeindruckten die grubenmannschen Brücken. Es verwundert daher kaum, dass viele von ihnen von Brückenmeistern, Straßeninspektoren und Reisenden wie Johann Gottfried Ebel (1764-1830, geografischer Schriftsteller) und Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in ihren Reisetagebüchern, Berichten und anderen Publikationen beschrieben und gepriesen wurden [KILLER 1998, S. 36; NÜESCH-GAUTSCHI 1985, S. 89, 96-98, 102]. Leider wurde der Großteil der Brücken von Hans Ulrich im Jahr 1799 während des Zweiten Koalitionskrieges (1798-1802) Opfer von Zerstörungen. Nur zwei seiner Brücken, die abseits von den großen Heerstraßen gelegen waren, sind bis zum heutigen Tag erhalten (siehe Abb. 2.07).

Hans Ulrichs Einfluss auf den Sakral- und Profanbau

Neben zahlreichen Brücken arbeitete Hans Ulrich Grubenmann auch an über 20 Kirchen (Neubau, Umgestaltung, Erweiterung, Gutachtenerstellung). Als Kirchenabdeckung bevorzugte er stets den Spitzturm – sein Bruder Jakob dagegen die Kuppel (Abb. 2.08 und 2.09). Gleichwohl war Hans Ulrich auch im Wohnhausbau tätig. So wirkte er beim Wiederaufbau von Bischofszell nach einem Brand im Jahre 1743 mit. Dort errichtete er gemeinsam mit seinen Brüdern 13 Wohnhäuser (Abb. 2.10). 

Hans Ulrichs Privatleben

Hans Ulrich Grubenmann war dreimal verheiratet. 1732 heiratete er Anne Gähler († 1768) geborene Walser. Sie war die verwitwete Tochter des Gemeindehauptmanns Walser von Teufen. Hans Ulrich verlegte daraufhin seinen Wohnsitz ins Dorf. Sein Wohnhaus dient heute der evangelischen Kirche als Pfarrhaus (Abb. 2.11). Wenige Monate nach dem Tod von Anne ehelichte Grubenmann 1769 Magdalena Fässler. Fünf Kinder (1 Sohn, 4 Töchter) entsprangen der Ehe, die jedoch bereits im frühem Kindesalter verstarben. Ende 1778 verschied auch Magdalena. Wieder trauert Hans Ulrich nur kurz und heiratete Anfang des Jahres 1779 mit nun 70 Jahren Anna Müller. Wie seine erste Ehe blieb auch diese kinderlos. Im Alter von 74 Jahren starb Hans Ulrich Grubenmann am 22. Januar 1783 in seinem Heimatort Teufen. Von seinem Lebensabend ist aus der Abdankungsrede vom 24. Januar 1783 des damaligen Pfarrers Johann Ulrich Tobler bekannt, dass Grubenmann „wegen anruckendem Alter auch eine geraume Zeit die Folgen, die mit dem Alter verbunden sind, hat müssen erfahren und sonderheitlich das letzte Jahr, welchs ihne zum leiblichen Beruff ganz unthädig gemacht und vom selbigen ausgesezt.“ [STÜSSI 1972, S. 918] Trotz eines Fieberanfalls war der Baumeister „allezeit bey gutem Verstand. Hiervon zeügen die letsten Wort, die man ganz deütlich von ihme vernohmen, da er gesagt: Die erste Frag Catechismo seye sein Trost im Leben und im Sterben, namlich dass ich  nach diesem trübseligen Leben ewige Freüd und Seligkeit erwerben und ewig bey Gott meinem Vater wohnen und seiner himmlischen Güte theilhafftig werden soll… Er wartet auf eine Stadt, die einen Grund hat, welcher Baumeister und Schöpfer Gott ist. Er tröstet hiermit sich mit der Hoffnung zukünfftiger Herrlichkeit.“ [STÜSSI 1972, S. 918]

Zimmermann, Baumeister oder Ingenieur?

Das Bauen funktionierte im 18. Jh. verglichen zu heute anders. Heutzutage haben sich die Gruppen der Planenden und der Bauenden deutlich voneinander abgegrenzt. Auf der einen Seite stehen die Architekten und Ingenieure, auf der anderen Seite finden sich die Handwerker, die die Planungen ausführen. Zu Zeiten von Hans Ulrich Grubenmann war eine so deutliche Trennung im Baugewerbe nicht gegeben, auch wenn wir hier in Handwerker und Baumeister unterteilen können. Letzterer entsprang doch immer der Handwerkskunst. 

Bevor Hans Ulrich Baumeister wurde, erhielt er durch seinen Vater und durch seine Brüder die Ausbildung zum Zimmermann. Die für das Handwerk so typische Walz, eine vorgeschriebene Wanderzeit der Gesellen, bei der sie das Bauen in anderen Regionen nebst deren Kulturen und Spracheigenheiten studieren können, blieb Hans Ulrich vermutlich verwehrt [NÜESCH-GAUTSCHI 1985, S. 102]. Nach anfänglichen Arbeiten mit seinen Brüdern übernahm Hans Ulrich zunehmend mehr Verantwortung und eigene Projekte. Er reifte zum Baumeister. Neben der Ausführung und Planung des Gebäudes oblag ihm die Planung des Bauablaufes und der Koordinierung der einzelnen Gewerke. 

Die Planungsarbeit Grubenmanns war zwar durch „Try and Error“ gekennzeichnet, sprich sie war empirisch geprägt, doch lassen sich genügend Bezüge zum heutigen Ingenieur finden. Hans Ulrich arbeitete mit Zeichnungen und Modellen, bei denen er Tragwerke und deren Knotenpunkte entwickelte (Abb. 2.12-2.14). Letztere wurden selbst zum Studienobjekt, denn es heißt, dass er seine Brückenmodelle auch Belastungsproben unterzog (siehe Schaffhausener Brücke). Grubenmann arbeitete also auch theoretisch, entwickelte ein besonderes Verständnis für statische Probleme im Holzbau und fand immer wieder neue Lösungen aus sich selbst heraus, denn auf Erfahrungen, die er möglicherweise bei einer Walz gewonnen hätte, konnte er nicht zurückgreifen. Mit zunehmendem Alter wurde er des Öfteren zur Erstellung von Gutachten herangezogen und wirkte so wie ein Prüfingenieur.