Peter Parler (1330/ 1333 – 1399) Biografie

Tabellarische Biografie

Widersprüchliche Datenangaben basieren auf abweichende Angaben in den verwendeten literarischen Quellen.

JahrEreignis
1330/ 1333Geburt von Peter Parler als Sohn des Baumeisters Heinrich von Gmünd in Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg, Deutschland, damals: Reichsstadt Gmünd).
Vor 1352Erhalt der Ausbildung zum Steinmetz durch seinen Vater am Bau des Gmünder Münsters.
1352-1353/ 1356In Nürnberg (Bayern, Deutschland, damals: Freie Reichsstadt Nürnberg) Tätigkeiten als Polier an der Frauenkirche.
1353/ 1356Peter Parler im Alter von 23 Jahren auf Ruf von Kaiser Karl IV. (1316-1378, R 1355-1378) als Baumeister nach Prag (Region Hlavní město Praha, Tschechien, damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich) gehend. Übernahme der Dombaustelle nach dem Tod des Baumeisters Matthias von Arras (1290-1352).
Ab 1353/ 1356Böhmen neue Heimat Parlers. Vor allem in Prag Bau seiner berühmten Bauwerke.
Zwischen 1355 und 1365Ehe mit Gertrud (auch: Druda). Fünf Kinder dieser Ehe erwachsend: Die Söhne Nikolaus, Wenzel und Johann sowie zwei namentlich nicht näher bekannte Töchter.
1357Auftrag zum Bau der Karlsbrücke über die Moldau in Prag.
1359/ 1360Eigentümer eines Hauses am Prager Schlossplatz.
1360Erschaffen der Statue des Heiligen Wenzel im Veitsdom durch Peter Parler.
1360 bis 1378Arbeiten beim Bau des Chores der Bartholomäuskirche in Kolín (Region Středočeský kraj, Tschechien, damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich).
1362Erwerb eines zweiten Hauses am Schlossplatz in Prag.
Zwischen 1365 und 1369Tod der ersten Ehefrau Peter Parlers Gertrud (auch: Druda).
1370Arbeit an der Allerheiligenkirche auf dem Hradschin in Prag.
1379Erwerb des Bürgerrechts von Prag durch Peter Parler.
1380/ 1382Zweite Heirat Peter Parlers mit Elisabeth Agnes von Bur.
Um 1380Einwölbung des Westflügels der Prager Burg.
1383Geburt von Paul, ein weiterer Sohn Peter Parlers.
Nach 1383Geburt seines letzten Kindes, Sohn Janco (auch: Johann), späterer Steinmetz in Agram.
1386Entwurf des Chorgestühls des Prager Doms.
1399Ableben von Peter Parler in Prag.

Ausführliche Biografie

Was bedeutet es ein „Parler“ zu sein?

Wer sich mit dem gotischen Dombau beschäftigt, wird unweigerlich auf den Namen Peter Parler und auf seine Familie stoßen (Abb. 2.02). Bevor man sich jedoch näher mit Peter Parler auseinandersetzt, sollte man sich zu allererst bewusst machen, was es hieß, ein „Parler“ zu sein. Ein Parler oder „Parlier“ (siehe Ausführungen zu den Arbeitsweisen eines gotischen Baumeisters im Beitrag zu Wilhelm von Sens († 1180)) war seinerzeit einer der Wenigen oder der Einzige am Bau, dem es erlaubt war, Anweisungen zu geben. Der sogenannte Parlier (heute: Polier) war der erste Mann des Hüttenmeisters und vertrat dessen Ansichten und Vorstellungen auf der Baustelle (Abb. 2.03). Nicht alle Mitglieder der „Parler-Familie“ trugen diesen Titel. So durften sich nur Peter und sein Bruder Michael so nennen. Als Parliere gehörten sie zu den am höchsten und angesehensten Menschen der damaligen Gesellschaft und zu den wichtigsten Personen im Bauwesen jener Zeit.

Wie oben dargestellt, handelt es sich unter dem Namenszusatz „Parler“ um keinen Nachnamen bzw. Familiennamen, wie wir ihn heute kennen. Vielmehr ist hierin die berufliche Zuordnung bzw. ein Titel von Peter zu sehen, der sich als Parler (bzw. Parlier, heute: Polier) einen „Namen gemacht hatte“. Vergleichbar ist der Namenszusatz bei Peter mit jenem von Mimar Sinan, der als Baumeister im Osmanischen Reich des 16. Jhs. wirkte. „Mimar“ bedeutet so viel wie „Architekt“ oder „Baumeister“. Demnach lässt sich der Name „Mimar Sinan“ mit „Baumeister Sinan“ übersetzen. Im Falle von „Peter Parler“ würden wir von „Peter Polier“ oder „Polier Peter“ sprechen. Ein anderes mittelalterliches Namenszusatzschema lag in der Zuordnung der Person mit seiner „Nationalität“ bzw. einem Ort, wo diese lebte bzw. wirkte. Als Beispiele wären die Baumeister (auch: Werkmeister) Wilhelm von Sens († 1180), Matthias von Arras (1290-1352; siehe Veitsdom) oder Peter Parlers Familienangehörige anzuführen. Vererbbare Nachnamen, Namen der Familienzuordnung wie sie heute Gang und Gebe sind, entwickelten sich erst sehr langsam seit dem Mittelalter heraus und waren erst ab dem 15. Jh. in Deutschland mit Ausnahmen üblich. Bis ins 19. Jh. gab es Gegenden in Deutschland, wo Nachnamen nicht geführt wurden. In der Türkei bspw. wurde der Familienname erst in den 1930er Jahren durch ein Gesetz von Mustafa Kemal, auch bekannt als Atatürk, eingeführt. Liest man folglich von der „Parler-Familie“, sind die Angehörigen von Peter Parler gemeint, nicht jedoch die „Familie Parler“, wie es oft fälschlich in der Literatur dargestellt wird.

Peter Parler und seine Familie

Peter Parler wurde, je nach Quelle, 1330 oder 1333 als eines von vier Kindern des Werkmeisters Heinrich von Gmünd (auch Heinrich von Köln genannt) in Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg, Deutschland, damals: Reichsstadt Gmünd, Heiliges Römisches Reich) geboren. Auch seine Brüder, Michael Parler und Johann von Gmünd, und deren Kinder hatten wichtige Rollen als Dombaumeister oder Parliere (Abb. 2.04). So ist es z.B. wahrscheinlich, dass Heinrich von Gmünd d.J. (Sohn von Johann von Gmünd) am Bau des Mailänder Domes beteiligt war. Michael Parler war bspw. ein Baumeister des Ulmer Münsters.

Peter lernte wohl bei seinem Vater, der als Vorbild jahrhundertelanger Baukunst galt. Er vermittelte ihm die Grundsätze der deutschen Gotik. Peter Parler gab später offenkundig sein Wissen und seine Begabung wiederum an seine Kinder weiter. Er war zweimal verheiratet. Aus der ersten Ehe mit Gertrud (auch: Druda) sind 5 Kinder überliefert: Nikolaus, Priester in Prag, Wenzel, Dombaumeister in Prag und Wien, Johann, Dombaumeister in Prag, und zwei Töchter, von denen die Namen nicht bekannt sind. Eine der Töchter war mit einem Goldschmied in Prag verheiratet und die andere mit Michael von Köln, Steinmetz von Prag. Nach dem Tod seiner ersten Frau (zwischen 1365 und 1369) heiratete Peter Parler 1380/ 1382 Elisabeth Agnes von Bur, mit der er zwei weitere Kinder hatte: Paul und Janco (Slawische Kurzform des Namens Johann). Letzterer wirkte später als Steinmetz in Agram (dt. für: Zagreb, Kroatien, damals: Königreich Kroatien/ Königreich Ungarn). Ein Großteil seiner eigenen Kinder war folglich ebenfalls im Bauwesen tätig. Sie traten in die Fußstapfen ihres Vaters und arbeiteten zum Teil an seiner Seite.

Über Peters Kindheit selbst ist nicht viel überliefert. Sicher ist, dass er im Alter von 23 Jahren – 1353 oder 1356 – von Kaiser Karl IV. als Dombaumeister an den Veitsdom nach Prag berufen wurde. Zuvor hatte er zwischen 1352 und 1353/ 1356 als Polier in Nürnberg an der Frauenkirche gearbeitet. Seine Ausbildung zum Steinmetz durch seinen Vater Heinrich von Gmünd wird er vor 1352 am Münster von Schwäbisch Gmünd durchlaufen sein.

Peter Parler in Prag

Peter Parler ging nach Prag, um anstelle des verstorbenen Dombaumeisters Matthias von Arras (1344-1352) die Leitung am Bau des Veitsdomes zu übernehmen. Er knüpfte nahtlos an den bereits begonnen Bau an, hinterließ aber deutlich seine Handschrift. Auch heute noch ist klar zu erkennen, ab wann Peter Parler am Dom wirkte. Er wird in diesem Zusammenhang auch als „Meister der lebenden Steine“ [BUHRE 1942] bezeichnet. Es heißt, er gab den starren Formen eine neue Lebendigkeit und schuf dennoch eine gewisse Ruhe und Ausgewogenheit. Aber Peter Parler war wohl nicht nur als Dombaumeister des Veitsdomes tätig. Die gesamte Bautätigkeit Kaiser Karls IV. lief wohl unter der Führung Peters. So war er auch für den Bau des Altstädter Brückenturmes und der Karlsbrücke über die Moldau verantwortlich, leitete 45 Jahre lang die Dombauhütte in Prag und galt als Berater des Kaisers. Im Jahr 1399 verstarb Peter Parler in Prag. Ein Grab im Veitsdom erinnert bis heute an den Baumeister.

Ein vielseitig begabter Mensch

Neben seiner Bautätigkeit als Dombaumeister und neben seiner Rolle als Berater des Kaisers Karl IV. (1316-1378, R 1355-1378) im Prager Bauwesen, war Peter Parler auch der Begründer einer böhmischen Bildhauerschule. Mit seinen Schülern schuf er heute noch bekannte Plastiken, wie beispielsweise die Statuen von König Ottokar I. (1155-1230), Ottokar II. (1232-1278) oder Johann Očko von Wlaschim (1292-1380). Für den Veitsdom erstellte er ebenfalls 20 Büsten, darunter eine von Matthias von Arras (1290-1352) und ein Selbstportrait mit seinem Meisterzeichen auf der Brust (Abb. 1.01 und 1.06). In seinen Skulpturen zeigt sich wieder seine Fähigkeit, Steinen Lebendigkeit zu verleihen. Er konnte Steinskulpturen Ausdruckskraft und den Anschein von Beweglichkeit geben. Diese Werke machen Peter Parler zum Wegbereiter für wirkungsvolle Plastiken, deutsche Kunst und die deutsche Spätgotik. Nach seinem Tod trugen seine Schüler sein Wissen und seine Kunst weiter hinaus in die Bauhütten des Reiches.

Peter Parler und der Schöne Stil

Die „Parler-Familie“ gilt auch als Wegbereiter einer neuen Kunstrichtung – der sogenannte Schöne Stil, ebenfalls bekannt als: Internationale Gotik oder der Weiche Stil. Die neue Manier war jedoch nur von kurzer Dauer, etwa von 1378 bis 1430, und beschreibt den Übergang von der Gotik zur Renaissance. Charakteristisch für diese Kunstrichtung sind Lebendigkeit, fließende, bewegliche Formen und, vor allem in der Bildhauerkunst, die Schönen Madonnen, das sogenannte Leitbild des Schönen Stils (Abb. 2.07-2.08). Sie umfassen mehrere Figuren der Heiligen Jungfrau Maria, die sich vor allem durch besagte Beweglichkeit und verlängerte Körperproportionen auszeichnen. All diese Madonnen haben einen sogenannten S-Bogen gemeinsam, den der Körper der Figuren beschreibt. Er bewirkt eine elegante Lebendigkeit. In der Architektur äußerte sich der Schöne Stil vor allem in der Verspieltheit der Ornamentik und der dadurch erreichten Anmut. Er hatte auch Einfluss auf das Maßwerk, bei dem neue Formen entwickelt wurden. Da die Mitglieder der „Parler-Familie“ als „Meister der lebenden Steine“ [BUHRE 1942] galten, ist es nicht schwer vorstellbar, dass sie als Wegbereiter des Schönen Stils angesehen wurden und damit die Architektur neu belebten (Abb. 2.09).

Die Legende um die „Junker von Prag“

Mehreren Quellen zufolge war die „Parler-Familie“ auch noch unter einem anderen, ebenfalls hoch angesehenem Namen bekannt: „Junker von Prag“. Um zu verstehen, was es bedeutet ein Junker von Prag zu sein, muss man zu allererst wissen, was ein Junker überhaupt ist. Hierfür gibt es mehrere mögliche Ansätze. Zum einen bezeichnet Junker oder Jungherr einen jungen Adligen. Junker gilt aber auch als Bezeichnung für Lehrling. Die wahrscheinlichste Bedeutung des Wortes Junker im Falle Peter Parlers liegt wohl in der Bezeichnung eines vornehmen Bürgers, eines jungen Herrn aus einer vornehmen Familie. Diese Bezeichnung macht es schwer zu sagen, welches Mitglied der „Parler-Familie“ tatsächlich als Junker von Prag betitelt wurde, da der Begriff Junker auch einfach als Bezeichnung eines jungen Herren benutzt wurde. Allerdings beinhaltet der Zusatz von Prag, dass besagte Junker hauptsächlich in Prag lebten bzw. tätig waren. Mehreren Quellen zufolge wurde dieser Begriff tatsächlich auf die „Parler-Familie“ angewendet. Wie bereits erwähnt, bezeichnet schon der Name/ Titel Parler eine hochangesehene Person. Der nun ebenfalls benutzte Zusatz „Junker von Prag“ verlieh der Person oder Familie eine weitere, wenn nicht sogar noch angesehenere Stellung in der Gesellschaft. Ob und wie viele Junker von Prag es aber wirklich gegeben hat, bleibt eine offene Frage. Es könnte sich hierbei genauso um eine mythische Steigerung des Parlerruhmes handeln, die verständlich aber doch umstritten ist. Der Titel Junker könnte sich aber auch auf die enge Verbindung Peter Parlers zu Kaiser Karl IV. beziehen, dem er beratend zur Seite stand (siehe Biografieabschnitt „Peter Parler in Prag“). Möglicherweise traten Wenzel und Johann nebst dem Baugewerbe auch politisch in die Fußstapfen ihres Vaters und hätten den Beinamen „Junker von Prag“ führen dürfen (siehe Abb. 2.04). Vielleicht bezog sich der Titel auch auf den Besitz, den die Familie im Laufe der Zeit anhäufte. Von Peter Parler heißt es, dass er so vermögen war, dass er sich zwei Häuser am Prager Schlossplatz leisten konnte. Des Weiteren ist bekannt, dass Peter Parler 1379 das Bürgerrecht der Stadt Prag [käuflich(?)] erwerben konnte. Der Zusatz „von Prag“ wird sich sicherlich auf diesen Umstand bzw. das Bürgerrecht beziehen.
 
[ARCHINFORM PARLER; BUHRE 1942; KLETZEL 1936; SCHOCK-WERNER 2001; SCHURR 2003, S. 13-23]