Peter Parler (1330/ 1333 – 1399) Parlers Projekte

Tabellarische Übersicht
BauzeitProjektbezeichnungBauortWeitere Informationen
Ca. 1330-1410Heilig-Kreuz-Münster 
(auch: Gmünder Münster, Heilig-Kreuz-Kirche, Heiligkreuzkirche)
Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg, Deutschland (damals: Reichsstadt Gmünd, Heiliges Römisches Reich)Bauwerk: Hallenkirche.
Erhaltungszustand: Erhalten.
Baumaßnahmen: Peter Parler wird hier vor 1352 seine Ausbildungszeit als Steinmetz unter seinem Vater Heinrich von Gmünd durchlaufen sein.
Projektbeteiligte: Heinrich von Gmünd, Dombaumeister. Neben Peter werden auch seine Brüder Johann von Gmünd und Michael Parler an dem Bau gewirkt haben.
1352-1362Frauenkirche
(auch: Kirche Unsere Liebe Frau)
(Abb. 3.02)
Nürnberg, Bayern, Deutschland (damals: Freie Reichsstadt, Heiliges Römisches Reich)Bauwerk: Hallenkirche.
Erhaltungszustand: Erhalten.
Baumaßnahmen: Peter Parler tätig als Polier von 1352-1353/ 1556.
Projektbeteiligte: Kaiser Karl IV. (1316-1378, R 1355-1378), Auftraggeber/ Bauherr.
1344-1929Veitsdom
(Abb. 2.02, 2.05, 2.09, 3.03-3.13)
Prag, Region Hlavní město Praha, Tschechien (damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich)Bauwerk: Kirche/ Dom von Prag.
Erhaltungszustand: Erhalten.
Baumaßnahmen: Ab 1353/ 1356 – Tätigkeiten als Dombaumeister. 1386 – Entwurf des Chorgestühls.
Projektbeteiligte: Kaiser Karl IV. (1316-1378, R 1355-1378), Auftraggeber/ Bauherr.
[BAUMÜLLER 1994, S. 18-19; GOLSER 2012; KUHL 2007, S. 48-51; LEGNER 1978b, S. 45-48]
1357 bis Anfang 15. Jh.Karlsbrücke
(Abb. 3.14-3.20)
Prag, Region Hlavní město Praha, Tschechien (damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich)Bauwerk: Steinbogenbrücke.
Erhaltungszustand: Erhalten.
Baumaßnahmen: Peter Parler, Bauleitung.
Projektbeteiligte: Kaiser Karl IV. (1316-1378, R 1355-1378), Auftraggeber/ Bauherr.
[BRILL 2010; STAŇKOVÁ/ ŠTURSA/ VODĚRA 1991]
1360Statue des Heiligen WenzelPrag, Region Hlavní město Praha, Tschechien (damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich)Adresse/ Aufstellort: Veitsdom.
1360-1378Chor von St. Bartholomäus
(auch: Bartholomäuskirche)
(Abb. 3.21-3.23)
Kolín, Region Středočeský kraj, Tschechien (damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich)Bauwerk: Kirche/ Chor.
Erhaltungszustand: Erhalten.
Baumaßnahmen: Anbau eines neuen Chores mit basilikalen Aufbau an die durch Feuer beschädigte Bartholomäuskirche, die ursprünglich als gotischer Hallenbau entstand.
Projektbeteiligte: Pfarrer und Bürger von Kolín, Auftraggeber/ Bauherr.
[BAUMÜLLER 1994, S. 127-132; SCHURR 2003, S. 89-93]
1370Allerheiligenkirche auf dem HradschinPrag, Region Hlavní město Praha, Tschechien (damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich)Bauwerk: Kirche.
1370-1380Altstädter Brückenturm
(Abb. 3.18-3.20)
Prag, Region Hlavní město Praha, Tschechien (damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich)Bauwerk: Turm mit Tor/ Brückenturm.
Erhaltungszustand: Erhalten.
Baumaßnahmen: Peter Parler, Bauleitung.
Projektbeteiligte: Kaiser Karl IV. (1316-1378, R 1355-1378), Auftraggeber/ Bauherr.
[BRILL 2010; STAŇKOVÁ/ ŠTURSA/ VODĚRA 1991]
Um 1380Prager BurgPrag, Region Hlavní město Praha, Tschechien (damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich)Baumaßnahmen: Einwölbung des Westflügels.

Kommentierte Auswahl

Veitsdom, Prag, Region Hlavní město Praha, Tschechien (damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich), 1344-1929

Einleitung

Auch heute noch ragt der Dom auf dem Hradschin – ein Bergsporn, der sich westlich der Moldau befindet – über die Altstadt von Prag hinaus, die seit 1992 zum UNESCO Weltkulturerbe zählt (Abb. 3.03). Eine Brücke über die Moldau, die Karlsbrücke, verbindet den Veitsdom mit der Stadt. Umschlossen wird der Dom durch eine Burganlage, die seit 1918 dem Präsidenten der Tschechischen Republik als Amtssitz dient.

Es heißt, Peter Parler habe für den Bau des Veitsdoms, der nach dem heiligen Veit (†304), dem Schutzpatron von Prag, benannt wurde, Formelemente aus Schwäbisch Gmünd nach Prag gebracht. In Schwäbisch Gmünd hatte er bereits an dem Heilig-Kreuz-Münster, an dem sein Vater als Baumeister wirkte, im Rahmen seiner Ausbildung Erfahrungen gesammelt und viel gelernt.

Nach dem Tod des Baumeisters Matthias von Arras im Jahr 1352, der den Bau des Veitsdoms mit der Errichtung des Chors begonnen hatte, übernahm Peter Parler die Leitung der Baustelle. Dabei nahm Parler grundlegende Änderungen am Grundriss vor und baute den Dom in seinem eigenen Stil weiter. Erst 1929, lange nach dem Tod von Peter Parler, konnte der Dom fertiggestellt werden. Während der Renaissance wurde nur der Südturm mit einer zwiebelförmigen Kuppel bedeckt. Das Hauptschiff wurde von 1835 bis 1899 unter der Leitung von Josef Kranners (1801-1871) und Josef Mocker (1835-1899) errichtet.

[GOLSER 2012; KUHL 2007, S. 48-51]

Matthias von Arras (1290–1352)

Der Grundstein für den Domneubau wurde am 21. November 1344 nordöstlich des romanischen Vorgängerbaus gelegt. Nach seiner Ernennung zum deutschen König übernahm Karl IV. am 11. Juli 1346 das Dombauvorhaben. Matthias von Arras war der erste Dombaumeister (1344-1352). Er legte den Grundriss fest und legte die Chorfundamente an. Nach seinem Tod 1352 konnte der Bau eine Zeit lang auch ohne Baumeister vorangetrieben werden.

Der Weiterbau des Veitsdoms unter der Leitung Peter Parlers, 1356-1399

1353/ 1356 berief Karl IV. (1316-1378), seit 1355 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, den 23-jährigen Peter Parler als Dombaumeister nach Prag. Parler nahm daraufhin grundsätzliche Änderungen an dem von Matthias von Arras festgelegten Grundriss vor. So gestaltete er den Grundriss der Heiligkreuz- und der Martinizkapelle rechteckig (Abb. 3.04. (Nr. 3 und 4) und 3.05 (orange und braun)). Die Wände verlagerte er weiter nach außen. Auch die Wenzelskapelle im Süden des Gebäudes (Abb. 3.04 (Nr. 5) und 3.05 (rot)), die er zwischen 1356 und 1367 plante, ließ er nach außen hervortreten. Die hieran anschließende Querhausvorhalle entstand bis 1371 (Abb. 3.04 (Nr. 6) und 3.05 (grün)). Sie tritt am weitesten hervor und bildet den Abschluss der Südseite. Nach 1369 wurden die bereits begonnen Langchorpfeiler weiter aufgemauert und die zugehörigen Seitenschiffe eingewölbt (Abb. 3.06-3.08).

Auf der gegenüberliegenden Nordseite wurden von Peter Parler bis 1362 die Sakristei (siehe unten und Abb. 3.04 (Nr. 2), 3.05 (dunkelblau) und 3.06) und die Sigismundkapelle (Abb. 3.04 (Nr. 1) und 3.05 (gelb)) verwirklicht. Auch sie wurden wieder mit einem rechteckigen Grundriss angelegt. Allerdings wurde der von Matthias von Arras geplante Außenumriss an dieser Stelle nicht durchstoßen. Die nördliche Ostwand des Querschiffes konnte 1373 fertiggestellt werden. 1392 folgte die Grundsteinlegung des Hauptschiffs.

Vier Jahre später wurden die Bauarbeiten am Südturm in Angriff genommen (Abb. 2.05, 3.04 (Nr. 7), 3.05 (hellblau)). Er besitzt ähnliche Grundrissmaße wie die Wenzelskapelle und schließt sich westlich der Südvorhalle und des Querhauses an. Auf der Abbildung 3.09 ist einer der rund 20 m hohen Treppentürme des Querhauses zu sehen. Seine Besonderheit ist die zweifache Änderung der Wendelrichtung. Dadurch bekommt das Treppenhaus eine dynamische und bewegliche Wirkung, was wieder ein Indiz für den „Meister der lebenden Steine“ [BUHRE 1942] darstellt, wie Peter Parler oft genannt wird. Nach dem Tod Peters im Jahr 1399 liefen die Bauarbeiten nur noch stockend weiter.

[BAUMÜLLER 1994, S. 18-19]

Die Sakristei

Die Grundzüge der Sakristei, der erste durch Peter Parler fertiggestellte Raum des Veitsdoms, wurden bereits unter Matthias von Arras errichtet. Die zwei quadratischen Raumeinheiten, die jeweils der Jochbreite des Hochchores entsprechen, waren ursprünglich durch eine Wand getrennt. Peter entfernte sie und ersetzte sie durch einen mittig stehenden Pfeiler (Abb. 3.06). Dadurch schuf er einen längsrechteckigen, durch zwei Scheidebogen unterteilten Raum. Auffallend ist, dass er dennoch beide Joche unterschiedlich einwölbte.

Da oberhalb der Sakristei die Schatzkammer angeordnet werden sollte, war die Höhe des Gottesdienstvorbereitungsraumes begrenzt (Abb. 3.06). Eine Einwölbung mit einem traditionellen Rippengewölbe hätte die Sakristei kellerartig wirken lassen. Um den Raum leichter und höher zu gestalten, verwendete Peter Parler im Westjoch Transversalrippen (Abb. 3.10 (rote Linien)). Diese verlaufen quer zum System der Kreuzrippen und weisen deshalb kürzere Spannweiten auf. Als Folge bedürfen sie eine geringere Konstruktions-/ Bogenhöhe, wodurch das Gewölbe flacher wird.

Das Gewölbe des Sakristei-Ostjoches weist ebenfalls Transversalrippen auf, die jedoch in einem Fächer aus Gewölberippen aufgehen. Drei Rippenbogen (Abb. 3.09 (blaue Linien)) spannen hierbei von jeder Wandmitte zur Mitte der angrenzenden Wand. Beim Ostjoch sind zusätzlich vier weitere Rippen vorhanden, die das Diagonalrippenkreuz ersetzen und so den Wölbungsgrund in eine Vielzahl kleiner Felder unterteilen. Durch die nun noch kürzeren Rippenläufe ist eine weitaus flachere Wölbung möglich. Darüber hinaus ermöglichten die eng stehenden Rippen eine freihändige Mauerung der Gewölbekappen.

In der Mitte der einzelnen Sakristeijoche befinden sich hängende Schlusssteine (Abb. 3.11), mit denen Peter Parler der Stabilität seiner neuen Gewölbeform Ausdruck verlieh. Mit diesen Schlusssteinen präsentierte Peter gleichzeitig eine neue technische Errungenschaft.

Aus diesen Neuerungen lassen sich die Grundsätze der Wölbtechnik Peter Parlers ableiten:

1. Annäherung der Gewölbejoche an eine quadratische Grundrissform.
2. Annähernd gleichgroße Gewölbefelder.
3. Verschneiden der Gewölberippen in einem Winkel von 45° bzw. 90°.

Diese Grundsätze bilden die Voraussetzungen für ein Belastungsspannungsgleichgewicht von Gewölbekappen und Gewölberippen.

[LEGNER 1978b, S. 45-48]

Die Wenzelskapelle

Das Grundrissquadrat der Wenzelskapelle mit einer Kantenlänge von 10,5 m ist aus einem Achtort (ein Kreis mit zwei innenliegenden, um 45 Grad gedrehten Quadraten mit ihren Achs- und Diagonallinien [ENZYKLO ACHTORT]) abgleitet bzw. darauf abgestimmt. Dienste und Rippen kennzeichnen weder Gelenkstellen noch Druck- oder Gratlinien und haben keine trennende Funktion mehr. Sie sind nun raumzusammenfassend und raumbeschreibend. Durch das Verschieben der Diagonalrippen (Abb. 3.12 (rote Linien)) aus den Raumecken gelang es Peter Parler, den Raum der Wenzelskapelle noch höher zu gestalten. Die Rippen sind dabei in parallel laufende Rippenpaare zerlegt, was eine Verkürzung der Wölbungsbögen ermöglichte. Alle Gewölbefelder der Wenzelskapelle sind gleich groß, wodurch eine Angleichung der Spannungs- und Druckverhältnisse innerhalb der Gewölbekappe erreicht wurde (Abb. 3.13).

[LEGNER 1978b, S. 45-48]

Karlsbrücke und Altstädter Brückenturm, Prag, Region Hlavní město Praha, Tschechien (damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich), 1357 bis Anfang 15 Jh. und 1370-1380

Einleitung

Die Karlsbrücke (Abb. 3.14), ein weiteres Wahrzeichen von Prag, verbindet die Prager Altstadt mit der Prager Kleinseite (Malá Strana), wo sich auch der Hradschin, die Burg und der Veitsdom befinden. Sie war im Mittelalter der einzige feste Übergang über die Moldau und ein wichtiger Teil des Weges zum Veitsdom (Krönungsweg), in dem die Böhmischen Könige gekrönt wurden. Die Karlsbrücke, bis 1870 Prager Brücke genannt, ersetzte die 1342 bei einem Hochwasser zerstörte und im romanischen Stil erbaute Judithbrücke, die sich etwas weiter nördlich befand (Abb. 3.15). Es heißt, man könne bei besonders niedrigem Wasserstand der Moldau auch heute noch die Fundamente der Judithbrücke sehen. Teile ihrer Fundamente lassen sich sogar in den Kellern der umliegenden Kleinseitener Häuser wiederfinden. Die Fundamente der Karlsbrücke bestehen bis heute in ihrer Originalstruktur. Sie wurden bis dato nie ersetzt.

Die Umgebung und der Bau der Karlsbrücke

Der Grundstein für die Karlsbrücke wurde am 9. Juli 1357 durch Karl IV. (1316-1378, R 1355-1378) gelegt, der mit diesem Bauwerk zeigen wollte, wie fortschrittlich seine Regierung war. Fertiggestellt wurde die Brücke, die unter der Leitung Peter Parlers erbaut wurde, zu Beginn des 15. Jhs. Die 13 m hohe Karlsbrücke besitzt eine Gesamtlänge von etwa 520 m und ist ca. 10 m breit. Ihre 16 halbkreisförmigen Bogen aus Sandstein ruhen auf massiven, zu beiden Seiten keilförmig ausgebildeten Pfeilern (Abb. 3.16). Die Stützweite liegt zwischen 16 m und 23 m. Aus einer gerundeten Bogenspannweite von 20 m und der Höhe von 13 m ergeben sich eine Kühnheitszahl von 400/ 13 = 30,8 und ein Pfeilverhältnis von 13/ 20 = 1:1,5. Mit ihren Abmessungen und den sich daraus ergebenen Maßverhältnissen gilt sie zu den längsten historischen Brücken Mitteleuropas und noch heute als große technische Meisterleistung.

Die Brückentürme

Die Karlsbrücke ist zu beiden Seiten durch Türme abgeschlossen. Am Kleinseitener Ufer befinden sich zwei durch ein Tor verbundene Türme (Abb. 3.17). Der niedrigere Turm wurde in der ersten Hälfte des 12 Jh. im romanischen Stil errichtet und war Teil der ursprünglichen Befestigungsanlage der Judithbrücke. Der höhere, spätgotische Turm wurde 1464 nach dem Vorbild von Peter Parlers Altstädter Brückenturm erbaut, der den gegenüberliegenden Abschluss der Karlsbrücke bildet.

Der dem Heiligen Veit, der Patron von Prag, geweihte Altstädter Brückenturm bildet einen Höhepunkt des Krönungsweges, der von der Altstadt über die Karlsbrücke zum Hradschin führt (Abb. 3.18). Der etwa 40 m hohe Turm steht genau über dem ersten Brückenpfeiler auf der Altstädter Seite und wurde zwischen 1370 und 1380 unter der Leitung von Peter Parler erbaut. Ursprünglich waren beide Fronten des Turmes reich mit Maßwerk und Plastiken verziert. Heute ist nur noch die Ostfront vollständig erhalten. Durch Gesimse schuf Peter Parler drei Fassadenfelder, die mit spitzbogigen Archivolten (Abb. 3.19 (rot)), krabbenbesetzten Dreiecksformen mit einbeschriebenen Dreipass (Abb. 3.19 (orange)) und Skulpturen inmitten von Blendarkaden mit Vierpass (Abb. 3.19 (gelb)) verziert wurden.

In der Tordurchfahrt wurde nach 1373 ein Gewölbe realisiert, das allen Grundsätzen eines idealen Netzgewölbes entspricht (Abb. 3.20): Es wurde aus einem Quadrat entwickelt, die Rippen schneiden sich in einem Winkel von 45° und 90° und es sind nur drei verschiedene Formen von Gewölbefeldern (rhombisch, dreieckig, quadratisch) vorhanden. Die quadratischen Felder sind hierbei doppelt so groß wie die dreieckigen und rhombischen. Der Wölbungsgrund wird durch ein Tonnengewölbe mit kreisbogenförmigem Querschnitt gebildet. Das Netzgewölbe des Altstädter Brückenturms ist eine Weiterentwicklung des Chorgewölbes vom Prager Dom. Durch die nebeneinander verlaufenden und gegeneinander verspringenden, rautenförmigen Gewölbefelder (doppeltes Spingrautengewölbe) entsteht eine Zickzackbewegung der Rippen, die die übliche Jocheinteilung völlig zu überwinden scheint. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Rippen ohne Konsolen der Wand entspringen. Insgesamt betrachtet, stellt der Altstädter Brückenturm eine Kombination aus Baukunst und plastischem Bildwerk dar.

Ärger bei Restaurationsarbeiten

Seit August 2007 wird die Karlsbrücke restauriert (Stand 2010). Hierbei wurden bereits erhebliche Fehler gemacht, die die Denkmalschutzbehörde auf den Plan riefen. Die Rekonstruktion erfolgte nicht mit traditionellen Methoden: Falscher Mörtel wurde verwendet, historische Steinquader wurden zerstört und durch zu helle Nachbildungen ersetzt und bei der Pflasterung wurde fälschlicherweise Beton als Untergrund benutzt. So mussten erhebliche Strafen gezahlt werden.

[BRILL 2010; STAŇKOVÁ/ ŠTURSA/ VODĚRA 1991]

Chor von St. Bartholomäus, Kolín, Region Středočeský kraj, Tschechien (damals: Königreich Böhmen, Heiliges Römisches Reich), 1360-1378

Einleitung

Bei einem Brand wurde 1349 ein Großteil der böhmischen Stadt Kolín und der Chor der Kirche St. Bartholomäus stark beschädigt. Die Folgen des Brandes waren so verheerend, dass die Bürger von Kolín sogar für mehrere Jahre von den Steuern befreit wurden, um ihre Stadt und den Chor der Bartholomäuskirche wieder errichten zu können. Der Pfarrer von St. Bartholomäus, der durch seinen Kontakt zur Prager Burg bereits mit der Arbeit Peter Parlers vertraut war, beauftragte den Baumeister mit dem Neubau des Chores. Die Grundsteinlegung erfolgte am 30. Januar 1360.

Die wichtigsten Vorbilder für den Neubau des Chores waren der Veitsdom in Prag  und das Heilig-Kreuz-Münster von Schwäbisch Gmünd (siehe Projektübersicht). Anders als in Prag, wo Parler mit seinen Planungen an einem bereits begonnen Bau gebunden war, konnte er hier frei über die Gestaltung der Choranlage entscheiden, welche wieder nahtlos an das frühgotische dreischiffige Hallenlanghaus anschließen sollte (Abb. 3.21-3.22). Da die Grundmauern des alten Chors nach dem Brand nahezu vollständig zerstört waren, waren dem Baumeister weder beim Grundriss noch bei der Höhe des Chores Grenzen gesetzt.

Baubeschreibung. Choranbau

Peter Parlers Anbau übernimmt die dreischiffige Anlage der bestehenden Bartholomäuskirche. Der Chor kann als Verlängerung des Hauptschiffes gesehen werden. Diesem folgt nach außen ein einschiffiger Umgang, der sich durch die nach Osten weitergeführten und sich verbindenden Seitenschiffe ergibt. Sieben Kapellen sind dem Umgang angesetzt, die zumeist einen trapezförmigen Grundriss aufweisen. Zwischen den Kapellen wurden starke dreieckige „Wandfelder“ ausgebildet, die mit den Außenwänden der Kapellen abschließen und die Basis der Chorstrebepfeiler bilden. Die fünf östlichen Kapellen mit ihren Zwischenwandfeldern bilden einen 9-seitigen Ausschnitt eines 18-Ecks und präsentieren sich in ihrer Anlage als monolithischer Ostabschluss der Kirche, da die Kapellen weder im Grund- noch im Aufriss klar in Erscheinung treten (Vgl. Gestaltung des Chores des Veitsdoms, siehe Abb. 3.03-3.05.).
 
Die Obergadenzone des Chores wurde durch riesige Maßwerkfenster geöffnet. Der ursprüngliche Bau von St. Bartholomäus bzw. dessen bestehender Teil besitzt keine Obergadenfenster, da er mit drei 13 m hohen Schiffen als Hallenkirche angelegt war. Der 22 m hohe, basilikale Choranbau übertrifft den erhaltenen Rest der Bartholomäuskirche in seiner baulichen Struktur und aufgrund der großen Obergadenfenster ebenfalls in seiner Belichtung. Aufgrund dieser Gebäudekonzeption wird die deutlich niedrigere Hallenkirche in ein mystisches Dunkel getaucht, die ihren „göttlichen“ Abschluss durch ihren basilikalen Choranbau erhält (Abb. 3.23).

Bedeutung

Äußerlich fallen vor allem die reich dekorierten Maßwerkfenster des Anbaues auf. Das Strebewerk des Chores ist sehr fein gestaltet und tritt von außen kaum in Erscheinung. Der übrige Teil des Anbaus ist im Vergleich zum Veitsdom deutlich weniger verziert. Peter Parler verzichtet auch auf den Einsatz seines berühmten Netzgewölbes und bedient sich stattdessen eines Kreuzgewölbes. Grund dafür ist, dass St. Bartholomäus als einfache Pfarrkirche eine geringere Bedeutung als der Dom zu Prag hat. Fertiggestellt wurde der Chor schließlich 1378. Überlieferungen zufolge war Peter Parler selbst nie persönlich vor Ort. Damit liegt die Schlussfolgerung nahe, dass dieses Werk im Schaffen Peter Parlers einen deutlich geringeren Stellenwert hatte.

[BAUMÜLLER 1994, S. 127-132; SCHURR 2003, S. 89-93]