Ökonomisierung statt Akademisierung Online-Veranstaltung mit Vortrag, Film und Diskussion

THEMA

Die Einführung Pflegewissenschaft in Deutschland sollte der Pflege eine Stimme geben und den Wert und die Komplexität der pflegerischen Arbeit zur Geltung bringen. Der Beruf sollte nicht länger auf eine kostengünstige „Satt-und-Sauber“-Pflege reduziert sein, sondern den Status einer selbstbestimmten Profession erhalten. Hochschulisch ausgebildete Pflegekräfte sollten zur Emanzipation des Pflegeberufs aus ärztlicher und betriebswirtschaftlicher Fremdbestimmung beitragen.

Um die Akademisierung des Pflegeberufs ist es jedoch schlecht bestellt. Die primärqualifizierenden Pflegestudiengänge werden kaum nachgefragt. Fehlende Vergütung für die Praxiseinsätze der Studierenden, fehlende Refinanzierung der Praxisanleitung, unzureichende Ausstattung der Hochschulen mit Lehrpersonal, werden als Gründe hierfür in einem gemeinsamen Statement des Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft und des Deutschen Pflegerats vom März 2021 genannt.

Diese derzeitige Situation der Pflegestudiengänge hat jedoch noch tieferliegende Gründe. Wenn nur 1,7 % aller Pflegekräfte an Universitätskliniken einen Hochschulabschluss aufweisen können, wird in den Gesundheitseinrichtungen der Bedarf an hochschulisch gebildeten Pflegepersonen kaum wahrgenommen. Dort stellt man sich vielmehr die Frage: Braucht die Pflege überhaupt eine Wissenschaft? Welchen Nutzen hat theoretisches Wissen in einem primär praktischen Beruf? Aus ökonomischer Sicht erscheint es fraglich, Geld in eine hochschulische Ausbildung zu investieren, wenn in der Praxis kein Nutzen entsteht, der den Kosten der Ausbildung entspricht. Von den Angehörigen des Pflegeberufs selbst werden studierte Pflegekräfte als intellektuelle Elite wahrgenommen, die sich nicht mehr um die Patient*innen kümmert, sondern versucht, sich im Gesundheitswesen eine privilegierte Position zu sichern.

Diese Vorbehalte stellen den Akademisierungsprozess der Pflege in Frage. Hat sich sein ursprüngliches Anliegen in sein Gegenteil verkehrt? Lassen sich die Einwände gegen eine Akademisierung des Pflegeberufs widerlegen oder sind sie gerechtfertigt, weil der Versuch einer Emanzipation des Pflegeberufs durch eine Akademisierung im Ansatz schon verfehlt war?

Wir laden Sie ein, diese Fragen mit uns und unseren Gästen in einer Online-Veranstaltung zu diskutieren.

TERMIN

Mittwoch, 30.06.2021, 16.00 bis 18:30 Uhr

PROGRAMM

16:00 UhrBegrüßung
Prof. Dr. Thomas Boggatz (BTU Cottbus-Senftenberg, Institut für Gesundheit)
16:10 UhrZur Situation der Pflegestudiengänge in Deutschland
Prof. Dr. Renate Stemmer (ehem. Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft)
16:30 UhrAuszug aus dem Film: Der marktgerechte Patient von Leslie Franke & Herdolor Lorenz (Der vollständige Film kann vom 29.06. 17:00 Uhr – 01.07. 17:00 Uhr kostenfrei über ein Streaming-Portal angesehen werden. Der Link zum Streaming-Portal wird vor der Veranstaltung auf der Web-Seite der Pflegewissenschaft veröffentlicht)
16:50 UhrEmanzipation durch Professionalisierung?
Prof. Dr. Eva-Maria Krampe (Frankfurt University of Applied Sciences)
17:10 UhrPause
17:30 UhrDiskussion Leslie Franke & Herdolor Lorenz (Autor*innen des Films „Der marktgerechte Patient“) Michael Reiter (Gesundheits- und Krankenpfleger, SPD) Johanna Nitschke (Lehrkraft Fachbereich Gesundheits- und Krankenpflege, Carl-Thiem-Klinikum, Cottbus) Dr. Bernadette Klapper (Robert-Bosch-Stiftung, Bereichsleitung Gesundheit) Prof. Dr. Hermann Brandenburg (PTHV Vallendar)

ENTGELT

Kostenfrei

VERANSTALTUNGSLINK

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