Eugen Julius Richard Dyckerhoff (1844 – 1924) Biografie
Eugen Dyckerhoff (1844-1924). Topografische Biografie
Jahr | Ereignis |
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1844 | Geburt von Eugen Dyckerhoff als Sohn von Wilhelm Gustav Dyckerhoff (1805-1894) am 08. Mai in Mannheim, Baden-Württemberg, Deutschland. |
1863 | Mitarbeit in der Portland-Zement-Fabrik seines Vaters Wilhelm Gustav Dyckerhoff (1805-1894) Dyckerhoff & Söhne in Wiesbaden-Mainz-Amöneburg, Hessen, Deutschland. |
1866 | Beendigung seiner kaufmännischen Ausbildung in Marseille, Region Provence-Alpes-Côte d’Azur, Frankreich. |
1866 | Eintritt in die Firma Lang & Cie. in Karlsruhe, Baden-Württemberg, Deutschland. |
1869 | Am 10. Juli Heirat mit Adele Widmann (1848–1915), Tochter von Gottlieb Widmann (1817-1894). |
1869 | Im August Umbenennung der Firma Lang & Cie. in Dyckerhoff & Widmann. Eugen Dyckerhoff und Gottlieb Widmann nun Geschäftspartner und Gesellschafter der neuen Firma. |
1870 | Gründung einer Zweitfabrik in Wiesbaden-Biebrich, Hessen, Deutschland. Eugen Dyckerhoff als Leiter der Zweigstelle der Firma Dyckerhoff und Widmann eingesetzt. |
1870 | Umzug von Karlsruhe nach Wiesbaden-Biebrich. |
1877 | Geburt von Sohn Ernst Dyckerhoff (1877-1926). |
1899 | Bis 1911 Vorsitzender des 1898 geschaffenen Deutschen-Beton-Vereins. |
1902 | Verleihung des Titels eines Kommerzienrates durch Wilhelm II., König von Preußen und Deutscher Kaiser. |
1911 | Verleihung der Würde des Dr.-Ing. h.c. (Dr.-Ing. E. h.) der TH Berlin-Charlottenburg durch den Senat der Hochschule. |
1913 | Ernennung zum Geheimrat. |
1921 | Verleihung der neugeschaffenen Würde eines Ehrenbürgers der Technischen Hochschule „Fridericiana“ durch die Technische Hochschule Karlsruhe. |
1924 | Am 04. August Ableben von Eugen Dyckerhoff im Alter von 80 Jahren in Wiesbaden-Biebrich, Hessen, Deutschland. |
Biografie in Textform
Eugen Julius Richard Dyckerhoff wurde am 08. Mai 1844 in Mannheim, Baden-Württemberg, Deutschland als drittes Kind des Kaufmanns Wilhelm Gustav Dyckerhoff (1805-1894) geboren (siehe Abb. 2.02). Seine beiden älteren Brüder waren Gustav und Rudolf Dyckerhoff. Die berufliche Laufbahn Eugen Dyckerhoffs begann zunächst mit einer kaufmännischen Ausbildung in den 1860er Jahren, die er in Marseille, Region Provence-Alpes-Côte d’Azur, Frankreich absolvierte. Nach Beendigung der Ausbildung im Jahre 1866 zog er nach Karlsruhe, Baden-Württemberg, Deutschland, wo er auf Wunsch seines Vaters zunächst in der Zementwarenproduktionsfirma Lang & Cie. arbeitete. Drei Jahre nach seinem Eintritt in die Firma kam es zur Umfirmierung von Lang & Cie. in Dyckerhoff & Widmann. Eugen Dyckerhoff wurde neben Gottlieb Widmann (1817-1894) Gesellschafter des Unternehmens. Die beiden Gesellschafter verband nicht nur die Arbeit, auch bestand eine private Beziehung zwischen den Familien. Eugen Dyckerhoff heiratete am 10. Juli 1969 Adele Widmann, die älteste Tochter von Gottlieb Widmann. Aus der Ehe ging ihr gemeinsamer Sohn Ernst Dyckerhoff (1877-1926) hervor. Nach einem langen, aktiven Berufsleben zog sich Eugen Dyckerhoff 1912 im Alter von 68 Jahren allmählich aus dem aktuellen Tagesgeschäft zurück. Aufgrund des ersten Weltkrieges kehrte er jedoch noch einmal zurück und beteiligte sich aktiv in seinem Unternehmen. Im Alter von 80 Jahren verstarb Eugen Dyckerhoff am 04. August 1924 in Wiesbaden-Biebrich, Hessen, Deutschland. [KLASS 1965, S. 14, 16, 56, 225]
Neben seiner kaufmännischen Ausbildung besaß Dyckerhoff auch ein großes Verständnis von technischen Vorgängen im Allgemeinen. Im Speziellen galt sein größtes Interesse der Materie Zement und Beton. Schon während seiner Ausbildungszeit verfolgte er mit großem Interesse die Betonarbeiten im Hafen von Marseille. Durch seine Mitarbeit in der vom Vater 1863 in Wiesbaden, Ortsteil Mainz-Amöneburg, Hessen, Deutschland gegründeten Portland-Zementfabrik Dyckerhoff & Söhne konnte er dann erste praktische Erfahrungen insbesondere in der Herstellung und Verarbeitung von Zement sammeln. Er war dort hauptsächlich an der Seite seines Bruder Rudolf Dyckerhoff im Forschungslaboratorium der Firma tätig. [KLASS 1965, S. 14; STEGMANN 2009, S. 1371]
Nach Beendigung seiner kaufmännischen Ausbildung im Jahr 1866 ging Eugen Dyckerhoff zunächst nach Karlsruhe, wo er nach dem Willen seines Vaters in der Firma Lang & Cie. mitarbeiten sollte. Lang & Cie. wurde 1865 von Wilhelm Gustav Dyckerhoff (1805-1894), dem Kaufmann Heinrich Lang (1818-1887) und dem Bauinspektor Franz Erwin Serger (1817-1879) gegründet und stellte vorrangig „Zementwaren“ her [STEGMANN 2008, S. 1]. Mit der Einbindung von Eugen Dyckerhoff in die Firma Lang & Cie. verfolgte Wilhelm Gustav Dyckerhoff zwei Ziele: Zum einen sollte Eugen seine Erfahrungen, die er während seiner Tätigkeit im väterlichen Betrieb gewonnen hatte, in die Firma Lang & Cie. einbringen, da keiner der anderen Firmengründer über Erfahrungen mit der Herstellung von Beton hatte, und zum anderen erhoffte sich der Vater Verbesserungen für den Portland-Zement durch die neu gewonnenen Erkenntnisse bei der Herstellung von Betonteilen. [KLASS 1965, S. 14]
Schon frühzeitig vertrat Eugen Dyckerhoff die Auffassung, dass nur durch eigene Forschungs- und Entwicklungsarbeit der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens gesichert werden könne. Wie er bald feststellen musste, erforderte diese jedoch nebst hohem zeitlichem Aufwand auch großen finanziellen Einsatz. Der alleinige Verkauf von Baumaterialien brachte allerdings nicht die notwendigen finanziellen Mittel ein. Eugen Dyckerhoff wollte die Entwicklungsarbeit jedoch nicht vernachlässigen, sodass er sich nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten umsah. Auf diesem Wege lernte er den kaufmännischen Direktor der Maschinenbau AG in Karlsruhe, Gottlieb Widmann, kennen, der ihm die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellte und darüber hinaus noch seine Erfahrungen und Kontakte mitbrachte und in das Unternehmen einstieg. So erfolgte im August 1869 die Umbenennung der Firma Lang & Cie. zu Dyckerhoff & Widmann. Für das neu gegründete Unternehmen traten Eugen Dyckerhoff und Gottlieb Widmann als persönlich haftende Gesellschafter und Heinrich Lang als Kommanditist ein. [KLASS 1965, S. 15-16, 30]
Als ein Ergebnis der Forschungs- und Entwicklungsarbeit wurde ab 1869 nur noch erdfeuchter Betonmörtel zur Herstellung von Betonröhren verwendet [KLASS 1965, S. 20-21]. Hierfür ließ man den Mörtel in „standfeste, blechbeschlagene hölzerne und später in gußeiserne Formen einstampfen“ [KLASS 1965, S. 16]. Aufgrund der guten Erfahrungen, die man mit dieser Art der Betonverarbeitung sammeln konnte, baute Eugen Dyckerhoff die Produktion weiter aus. Neben der Herstellung von Betonröhren und Behältern wurden bald auch Skulpturen und Ornamente hergestellt. Zusätzlich ging man dazu über, die eigenen Produkte selbst zu verbauen [STEGMANN 2008, S. 1]. Dies war jedoch zunächst auf „die Herstellung von Böden aus Beton und das Verlegen der produzierten Röhren“ [STEGMANN 2008, S. 1] beschränkt. Meist wurde hierbei auf eigenes Stammpersonal zurückgegriffen. Begründet wurde dies unter anderem mit der Tatsache, dass fremde Arbeiter nicht das nötige Wissen im Umgang mit dem relativ neuen Material besaßen [KLASS 1965, S. 27].
Eugen Dyckerhoff entschied sich im Jahr 1870 neben der Fabrik in Karlsruhe eine zweite in Biebrich a. Rhein, heute ein Ortsteil der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden, zu gründen. Hierfür spielten teilweise wirtschaftliche bzw. finanzielle Aspekte eine Rolle. Mit der zweiten Fabrik war es nun möglich, Aufträge anzunehmen, die sich für die Fabrik in Karlsruhe auf Grund der hohen Transportkosten für die Betonwaren nicht gelohnt hätten. Somit schuf Eugen Dyckerhoff ein zweites Standbein. Ein anderer Grund für die Errichtung der Fabrik war die Nähe zu Wiesbaden und damit auch zu seinem Bruder Rudolf Dyckerhoff, welcher noch im väterlichen Unternehmen arbeitete. Eugen Dyckerhoff entschloss sich die Leitung der zweiten Fabrik zu übernehmen und verlegte seinen Wohnsitz ebenfalls nach Wiesbaden-Biebrich. Als Ersatz für Eugen Dyckerhoff in Karlsruhe wurde der Sohn von Gottlieb Widmann, Emil Widmann, in das Unternehmen geholt. [KLASS 1965, S. 22]
In den Folgejahren entstanden in Nürnberg-St. Jobst (gegr. 1873), Chemnitz (gegr. 1895 und später nach Dresden-Cossebaude umgezogen), Berlin (gegr. 1904), Hamburg (gegr. 1906), München (gegr. 1906), Düsseldorf (gegr. 1917), Wrocław in Polen (damals genannt Breslau, Niederschlesien/ Freistaat Preußen, Weimarer Republik; gegr. 1919) weitere Fabriken (siehe Abb. 2.03). Nach dem Tod von Eugen Dyckerhoff entstanden unter anderem in Kaliningrad, Russland (damals unter dem Namen Königsberg bekannt, Ostpreußen/ Freistaat Preußen, Weimarer Republik; gegr. 1929) und Duisburg (gegr. 1930) weitere Niederlassungen. Mit der Gründung weiterer Fabriken stieg auch die Bauaktivität des Unternehmens an. Zunächst waren die Tätigkeiten auf den „Bau von Betonböden und zur Überwölbung von Gräben“ [KLASS 1965, S. 27] gerichtet. Bei diesen Arbeiten konnten bereits wichtige Erkenntnisse im Umgang mit dem Baustoff Stampfbeton gesammelt werden. Wenig später erfolgte die Erweiterung der Bauaktivitäten auf die Herstellung von Gasbehälterbassins, Teerzisternen und Deckengewölben. Um 1880 erhielt das Unternehmen erste Aufträge zum Bau von zunächst kleineren Brücken. Ausschlaggebend für die Beauftragung dürfte auch der Erfolg von Dyckerhoff & Widmann auf der Gewerbe- und Kunstausstellung 1880 mit ihrer dort gezeigten Stampfbetonbrücke gewesen sein . Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich die Firma Dyckerhoff & Widmann schon einen gewissen Namen erarbeitet und konnte bereits größere Bauprojekte realisieren. Am 01. Januar 1900 erfolgte eine Umfirmierung der Gesellschaftsform. Nur sieben Jahre später wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Ausschlaggebend für diesen Schritt war die Ansicht, dass aufgrund der erhöhten baulichen Aktivitäten ein größerer finanzieller Bedarf bestand, der nur in Form einer Aktiengesellschaft aufgebracht werden könne. [KLASS 1965, S. 22, 27, 29-30, 221, 223, 225-226]
Die Verwendung von Beton und Stahl bei der Erstellung von Bauwerken erfuhr Anfang des 20. Jahrhunderts eine immer größere Bedeutung. Das Unternehmen Dyckerhoff & Widmann, welches auf die Verarbeitung von Stampfbeton spezialisiert war, kam trotz anfänglicher Bedenken seitens Eugen Dyckerhoff nicht umhin, sich mit dem neuen Materialverbund intensiver auseinanderzusetzen. So entstanden in den folgenden Jahren Bauten sowohl in Stampfbeton (Bsp. Illerbrücken, 1904-1906) und Eisenbetonkonstruktionen (Bsp. Eisenbahnbrücke in Lörrach, Baden-Württemberg, Deutschland (damals: Großherzogtum Baden, Deutsches Reich), 1907). Da Stahlbeton eine immer größer werdende Bedeutung in der Bauindustrie erlangte, stieg auch bei Dyckerhoff & Widmann die Verwendung dieses Materials bei der Errichtung von Bauwerken stetig an. Als Folge dessen erweiterte sich auch das Tätigkeitsfeld von Dyckerhoff & Widmann in Richtung Hochbau. So entstanden in den Folgejahren unter anderem Kirchen, Schulen, Museen, Bahnhöfen und Bahnsteigdächern, Markthallen, Lagerhäusern sowie Fabrikbauten (siehe Projektliste von Dyckerhoff & Widmann). Ermöglicht wurde diese Vielzahl an Bauwerken durch die bereits erwähnten Fabrikgründungen, die sich im Laufe der Jahre zu selbständigen Niederlassungen entwickelten und über „eigene[n] Konstruktionsbüros, eigene[r] Verwaltung und Buchhaltung verfügten“ [KLASS 1965, S. 36]. Ab dem Jahr 1909 führte die Firma Dyckerhoff & Widmann auch Aufträge im Ausland aus; Bauwerke entstanden so bspw. in Österreich, Belgien und Argentinien (siehe Abb. 3.01). [KLASS 1965, S. 36-37]
Nach Ende des 1. Weltkrieges führte die in den 1920er Jahren grassierende Inflation zu einer immer weiter steigenden Kapitalerhöhung der Firma Dyckerhoff & Widmann, sodass man sich 1921 entschloss, das bis dahin reine Familienunternehmen um einen außenstehenden Aktionär zu erweitern. Als weiterer Partner wurde die Dresdener Bank gewählt, da schon in vergangenen Zeiten nahe Beziehungen zwischen beiden Unternehmen bestanden. [KLASS 1965, S. 56-57]
Aufgrund des geringen Kenntnisstandes im Umgang mit dem relativ neuen Baustoff Beton gab es bei den Baubehörden Vorbehalte gegenüber der Verwendung von Beton beim Bau von Bauwerken. Da jedoch schon eine Vielzahl von Unternehmen existierte, die sich mit diesem Werkstoff beschäftigten und es noch „keine eigene Fachorganisation“ [KLASS 1965, S. 52] gab, beschlossen die Betonwarenhersteller und Betonwarenunternehmer im Jahr 1898 die Gründung des Deutschen-Beton-Vereins. Mit Hilfe dieser Institution sollten die Interessen der Unternehmer vertreten sowie Richtlinien und Prüfverfahren für den Umgang mit dem Werkstoff Beton geschaffen werden. Der Verein zählte schnell 170 Mitglieder und den Vorsitz übernahm Hartwig Hüser. Kurz nach der Gründung des Vereins starb jedoch Hartwig Hüser am 28. Januar 1899. Als Nachfolger wurde Eugen Dyckerhoff zum Vorsitzenden gewählt, der diese Stellung bis 1911 behielt. Als Vorsitzender des Deutschen-Beton-Vereins setzte sich Eugen Dyckerhoff insbesondere für die Schaffung von Vorschriften und Leitsätzen ein. Für die Beratung der neuen Vorschriften wurde 1899 seitens des Betonvereins ein Ausschuss eingesetzt, der 1901 durch Vertreter von Behörden (bspw. Mitarbeiter der Staatlichen Materialprüfungsanstalt von Berlin) und der Wissenschaft ergänzt wurde. Da Eugen Dyckerhoff durch seine eigenen Experimente im Bereich der Betonherstellung und Betonprüfung einen großen Erfahrungsschatz besaß, übernahm er eine führende Rolle bei den Beratungen des Gremiums. Durch seinen engagierten Einsatz konnte er bspw. erreichen, dass die vom Deutschen-Beton-Verein ausgearbeiteten Vorschriften den gesetzlichen Ausschreibungen zugrunde gelegt wurden. Während einige Vorschläge zeitnah umgesetzt wurden, erfolgte dies bei anderen Vorschlägen erst nach seinem Tod. Hierzu gehörte bspw. die „Unterscheidung und Kennzeichnung des Betons nach Festigkeit statt nach Mischungsverhältnis, ferner die Beachtung der Kornverhältnisse der Zuschlagsstoffe und die Beschränkung des Mörtelgehaltes zur Erzielung größerer Festigkeit und Dichte“ [KLASS 1965, S. 53]. [KLASS 1965, S. 52-53]