David Gilly (1748 – 1808) Gillys beförderte Technologien

Tabellarische Übersicht

Die Bauten Gillys sind alle im Kontext der knappen Staatsfinanzen Preußens zu verstehen. Die von ihm beförderten Bauweisen zielen zumeist auf günstige und ökonomisch sinnvolle Konstruktionen ab. Darüber hinaus reflektierte er seine eigene Arbeit und verbesserte so gängige Arbeitsweisen wie bspw. die Vermessungstechniken. Gilly begann erst in der Spätphase seines Schaffens damit, theoretisch an Baukonstruktionen zu forschen und dies auch zu publizieren. Die angegebenen Jahreszahlen bezeichnen jeweils das Datum der ersten Publikation zum Thema (mit Ausnahme der Typenhäuser).

1777Typenhäuser
(Abb. 4.01-4.03)
Erste Entwürfe für seriell baubare Typenhäuser. Typenhäuser für das Dorf Paretz (heute: Ketzin-Paretz, Brandenburg, Deutschland) entstanden zwischen 1797 und 1803. Sie stellen den Höhepunkt der von Gilly mitentwickelten Typenbauweise dar (Abb. 3.05-3.07).
1797Bohlenbinderbauweise
(Abb. 1.02 und 4.04)
Konstruktion von Dächern in Bohlenbinderbauweise. Als realisiertes Beispiel eines Gebäudes mit Bohlenbindern wird das Exerzierhaus von Berlin (damals: Mittelmark, Preußen) aus den Jahren 1799-1800 im Kapitel Projekte vorgestellt (Abb. 3.08).
1801Techniken und Werkzeuge zur Landvermessung
(Abb. 4.05-4.06)
Schilderungen zu Gillys Landvermessung von Vor- und Hinterpommern in den Jahren 1786-1789 sind im Kapitel Projekte nachzulesen (Abb. 3.04).

Ausführliche Erläuterungen

Typenhäuser, 1777

Im 18. Jahrhundert erschloss Preußen viele neue Gebiete für Siedlungen und wirtschaftliche Zwecke. Dabei wurden viele Urbarmachungen von Flussgebieten durchgeführt, an denen Gilly bereits in jungen Jahren mitarbeitete. Preußen ist bekannt für seine strikte Ordnung. Hierzu passend bekam Gilly 1777 den Auftrag für die Entwicklung von Typenhäusern, die ohne viel Planungsaufwand in den neuerschlossenen Gebieten als Wohnbauten entstehen sollen. Später wurde dieser Auftrag erweitert und Gilly sollte Typenhäuser für alle Arten von Wohn-, Sozial- und Arbeitsbauten wie Bürgerhäuser, Amtshäuser, Werkstätten und Ställe planen.

Bei den ersten Wohnhäusern handelte es sich um 4-, 5-, 9- und 11-achsige Bauten, die durch eine schlichte Fassade geprägt waren (Abb. 4.01-4.03). Ein durchlaufender Sims trennt das obere Geschoss von dem ansonsten völlig gleich gestalteten Untergeschoss visuell ab. An den Grundrissen erkennt man, dass lediglich die vordere Fassade zur Straßenseite ein symmetrisches Fensterbild aufwies. Die hintere wurde sparsam und zweckmäßig gestaltet und mit einem asymmetrischen Fensterbild bestückt. Bei den Typenhäusern Gillys kommt sein so typischer Entwurfsansatz zum Vorschein, der sich durch die Planung von nutzerorientierten, einfachen und sparsamen Bauweisen auszeichnete.

Bohlenbinderbauweise, 1797

Gilly widmete sich besonders ab den 1790er Jahren der Lehre und Forschung. Eines seiner größten Forschungsprojekte war die Erforschung und Perfektionierung der Bohlenbinderbauweise. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren zur Herstellung großer Dachbinder aus kleinen Bohlenstücken (Abb. 1.02 und 4.04). Da in Preußen zu dieser Zeit Holzmangel herrschte, versprach man sich davon, eine dauerhafte und kostengünstige Lösung für große Dachkonstruktionen zu finden und setzte sie im ganzen Reichsgebiet ein. Diese Bauweise wurde sogar soweit forciert, dass lange Sparren in kleine Stücke gesägt wurden, um sie als Bohlenbinder wieder zusammenzusetzen, was Gilly aber entschieden ablehnte und anriet, für die Bauweise nur Restholz zu verwenden.

Dabei war die Idee des zusammengesetzten Querschnitts nicht neu. Philibert de l´Orme forschte schon 1561 in Frankreich daran. De l´Orme hatte bereits Erfahrungen mit dem Steinbau, was auch die von ihm gewählte halbkreisförmige Bogenform erklärt. Inhaltlich bezog sich Gilly in seiner ersten Publikation zum Thema „Ueber Erfindung, Construction und Vortheile der Bohlen-Dächer“ von 1797 auf die Zeichnungen des Franzosen, zeigte aber bereits erste Querschnittsverbesserungen als Ergebnis der eigenen Arbeit [HAHMANN 2008, S. 110]. Sein Denkansatz unterschied sich vor allem darin, dass er als Vergleichsobjekt nicht den Steinbogen nutzte, sondern Parallelen zum geraden Sparren zog. Infolgedessen konstruierte Gilly einen etwas überhöhten Spitzbogen als Idealform des Sparrens. Im Zuge seiner theoretischen Auseinandersetzung stellte er Versuche an, die Tragfähigkeit und Verformung statisch zu berechnen. Dabei ging er fälschlicherweise von einem steifen Träger aus. Ob er dies als Vereinfachung der Bemessung annahm oder tatsächlich ohne besseren Wissens handelte, ist nicht nachzuvollziehen.

1801 publizierte er seine zweite, sehr umfangreiche Schrift zum Thema: Die „Anleitung zur Anwendung der Bohlen-Dächer bey ökonomischen Gebäuden und insbesondere bey den Scheunen“. Zu dieser Zeit konnte er bereits auf praktische Erfahrungen an gebauten Objekten zurückgreifen. Sein Zeitgenosse und Kollege Johann Albert Eytelwein (1764-1848), mit dem Gilly 1803 auch eine Publikation zu Blitzableitern herausgab, führte sogar Langzeituntersuchungen über fünf Jahre mit Bohlenbindern am eigenen Haus durch.

Glaubt man Lydia Hahmann, so scheiterten am Ende Gillys Bemühungen um die Bohlenbinderbauweise an den fehlenden Erfahrungen im Umgang mit dem Werkstoff Holz sowie den „ungünstig gewählten theoretischen Tragmodellen“ [HAHMANN 2008, S.117]. Aus heutiger Sicht ist die Konstruktion der Bohlenbinder kritisch zu sehen. Anders als Gilly annahm, ist es nicht möglich den Stoß zweier Bohlen absolut steif auszuführen. Dies führt dazu, dass sich die Sparren stark in Querrichtung verformen. Dieses Schadensbild führt heute zu großen Problemen bei der denkmalgerechten Sanierung von Bauten mit Bohlenbindern wie bspw. der Hochofenhalle von Peitz (Brandenburg, Deutschland).

Beiträge zur Vermessung, 1801

Gillys Betätigung auf dem Feld der Vermessung und Kartographie unterstreicht einmal mehr sein interdisziplinäres Wirken. „David Gillys Beiträge zu Vermessung, Melioration und Karthographie in Preußen [...] wirkten [...] bis weit in das 19.Jh. hinein [...] und werden noch heute geschätzt“ [RITTER 2008, S. 129]. Ein Grund für die hohe Wertschätzung seiner Arbeiten liegt darin, dass er das nötige Handwerk von der Pike auf lernte. Gilly zeichnete seine ersten Karten bereits im Alter von 14 Jahren, als er im Zuge seiner Berufsausbildung an der Urbarmachung der Netze- und Warthebrüche mitwirkte. Er wurde zu dieser Zeit von erfahrenen Lehrern unterrichtet, zu denen u.a. sein Gönner und Förderer Ludwig Friedrich Hahn gehörte. Diese Erfahrungen prägten sein weiteres Schaffen nachhaltig. In späteren eigenen Publikationen über die Vermessungskunde, die v.a. im Zuge seiner Lehrtätigkeit an der Berliner Bauakademie erschienen, bezog er sich auf seine Lehrzeit.

Seine wohl wichtigste Veröffentlichung zum Thema ist die „Praktische Anleitung zur Anwendung des Nivellirens oder Wasserwägens in den bey der Landeskultur vorkommenden gewöhnlichsten Fällen“ von 1801. In diesem als Handbuch für die Praxis gedachten Werk beschreibt Gilly detailliert die von ihm angewandten Techniken und Geräte. Abb. 4.06 zeigt die „Wasserwaage mit der Communicationsröhre“. Dieses relativ einfach aufgebaute Gerät diente zum Anvisieren einer horizontalen Ziellinie. Es besteht aus einem Einbeinstativ und einem horizontalen Rohr, an dessen Enden sich zwei vertikale Glasröhrchen befinden. Das Rohr wird mit Feingeist gefüllt und über die Oberflächen der Messflüssigkeit kann gezielt werden. In Kombination mit einer Messlatte ist so die Erstellung von Streckennivellements möglich. Nach Angaben Gillys, sei mit dieser Messmethode für den geübten Fachmann eine Fehlertoleranz von unter 2 cm auf 75 m Zielweite und bei Verkürzung der Zielweite um etwa die Hälfte sogar eine Genauigkeit von 3 mm möglich [RITTER 2008, S.123], was in Anbetracht der einfachen Konstruktion der Apparatur als relativ genau einzuschätzen ist. Auf dieser Grundlage beschreibt er weiter die Möglichkeit von Flächennivellements zur genauen Geländekartierung. Die Tatsache, dass Gilly dieses einfache Verfahren für die Zwecke des Landbaus favorisierte, obwohl bereits genauere Verfahren verfügbar waren, unterstreicht seinen Hang zu einfachen, praktikablen Lösungen, der sich durch sein gesamtes Oeuvre zieht.