Die Gesellschaft im Spiegellabyrinth sozialer Medien Kultur-, Sozial- und Computerwissenschaftliche Zugänge zur Onlinekommunikation | Berlin, 19./20.09.2019
Thematische Einführung
Bildeten noch vor wenigen Jahrzehnten die Massenmedien Fernsehen, Presse und Rundfunk den primären Zugang der Gesellschaft zu sich selbst und ihrer Umwelt, sind heutige gesellschaftliche Debatten und das Phänomen der Öffentlichkeit in hohem Maße durch den Einfluss von Online-Kommunikation auf Plattformen der großen Social-Media-Anbieter geprägt – verbunden mit dem Versprechen eines niedrigschwelligen Zugangs zum Diskurs und der Flexibilisierung der Kommunikationsbeziehungen. Individuelle Beiträge treten so neben die Berichterstattung durch Massenmedien. Obwohl sie einen gänzlich anderen Entstehungshintergrund aufweisen, können die individuellen Beiträge in den sozialen Medien eine ähnliche Funktion erfüllen wie die Berichterstattung durch Massenmedien, indem sie die Welt, die Gesellschaft oder auch die Berichterstattung der Massenmedien (reflexiv) beschreiben und so den öffentlichen Diskurs mitgestalten.
Solche digitalen Diskurse produzieren stets auch Daten respektive Metadaten, die abgefragt werden können und die (teilweise bereits automatisierte) visuelle Darstellung individuellen Kommunikationsverhaltens oder ganzer Debatten ermöglichen. Derart wird eine neue technisierte Beobachtungsebene geschaffen, von der aus die Kommunikation in den sozialen Medien auf Grundlage ihrer technischen Informationen und Strukturen reflektiert werden kann. Zugleich ist die Kommunikation in Online-Plattformen wie YouTube, Twitter oder Facebook aber auch durch algorithmische Selektionen geformt, sie wird in hohem Maße personalisiert oder kann Beiträge automatisierter Accounts enthalten.
Der Diskurs in den sozialen Medien ist für die Gesellschaft aber auch deshalb hoch brisant, weil durch ihn ihre Form selbst verhandelt wird. Parteien, NGOs oder Protestgruppen nutzen teilweise gekonnt die neuen Mechanismen der OnlineMedien, um den gesellschaftlichen Diskurs in einer Weise zu prägen, wie es noch vor wenigen Jahren unvorstellbar erschien. In den sozialen Netzwerken existieren Formen des Protests wie (Live-)Videos (in Vlogs oder von Demonstrationen), Memes oder sogenannte Hashtag-Kampagnen. Ebenso eröffnen sich dem Protest durch Hacking oder durch den Zugriff auf Datenmaterial gänzlich neue, digitale Methoden.
Die geplante Konferenz adressiert Fragen der Medien-, Sozial- und Kommunikationswissenschaften ebenso wie der Informatik. Das thematische Konzept vereint dabei erstens die Transformation öffentlicher Meinung und gesellschaftlicher Kommunikation unter den Bedingungen der Online-Kommunikation (vornehmlich vermittelt durch Social-Media-Plattformen als neue Spielfelder des gesellschaftlichen Diskurses) mit zweitens der neuen Rolle und den neuen digitalen Methoden von Protestgruppen in diesem gesellschaftlichen Diskurs sowie drittens Fragen nach den informationstechnischen Dispositionen dieser algorithmisch vermittelten Diskurse.
Programm der Konferenz
Veranstaltungsort: 'Crack Bellmer', Revaler Straße 99, 10245 Berlin-Friedrichshain
Anmeldungen für Gäste bitte untervietz(at)b-tu.de
Programm alspdf
Donnerstag, 19. September 2019 |
10:00 – 10:15 Uhr | Peter Klimczak, Christer Petersen, Samuel Schilling: Begrüßung |
10:15 - 11:15 Uhr | Cornelia Fedtke, Gregor Wiedemann: Diskriminierung und Gegenrede in der Kommentierung massenmedialer Berichterstattung auf Facebook. |
Kaffeepause | |
11:30 - 12:30 Uhr | Christopher Schmitz, Stefan Steiger: Wann kommt die Wut? Eine qualitativ vergleichende Studie diskursiver Eskalationsdynamiken und invektiver Sprachmuster in parteipolitischen Facebook-Kommentarbereichen im Kontext der Bundestagswahl 2017. |
Mittagspause | |
14:00 - 15:00 Uhr | Silke Fürst: Neue Öffentlichkeitsdynamiken: Selbstverstärkende Prozesse von ‚Popularität‘ im Zuge der Digitalisierung. |
Kaffeepause | |
15:15- 16:15 Uhr | Samuel Schilling: Was von Twitter erhalten bleibt. Archivierung von Social Media-Daten und gesellschaftliche Zugangsermöglichung. |
Kaffeepause | |
16:30 – 17:30 Uhr | Jens Pohlmann, Adrien Barbaresi: Mapping the German Tech Blog Sphere and its Influence on Digital Policy. |
Freitag, 20. September 2019 |
10:00 - 11:00 Uhr | Julius Erdmann: Medialisierter Protest als Beobachtung, Kritik, Imagination und Produktion. |
Kaffeepause | |
11:15 - 12:15 Uhr | Florian Muhle: Political Bots & Co. Vorschlag einer Typologie (teil-) automatisierter Accounts auf Twitter. |
Mittagspause | |
13:45 - 14:45 Uhr | Dan Verständig: Soziale Medien zwischen Disruption und Synthese. |
Kaffeepause | |
15:00 - 16:00 Uhr | Gertraud Koch, Lina Franken: Automatisierungspotenziale in der qualitativen Diskursanalyse. Das Prinzip des „Filterns“. |
Kaffeepause | |
16:15 - 17:15 Uhr | Stefan Ziehe, Caroline Sporleder: Politisches Gezwitscher in Text und Bild: Multimodale Sentimentanalyse von Mikroblogs. |
ab 17:15 Uhr | Abschlussdiskussion und Verabschiedung |
Das Programmkomitee besteht aus:
PD Dr. Mariano Barbato (Münster), Prof. Dr. Thomas Brechenmacher (Potsdam), Prof. Dr. Matthias Christen (Bayreuth), Prof. Dr. Jan-Oliver Decker (Passau), Prof. Dr. Susanne Femers-Koch (Berlin), Prof. Dr. Kai Fischbach (Bamberg), Prof. Dr. Bernd Freisleben (Marburg), Prof. Dr. Hans Friesen (Cottbus), Prof. Dr. Johannes Fromme (Magdeburg), Prof. Dr. Xiaoming Fu (Göttingen), Prof. Dr. Kalman Graffi (Düsseldorf), Prof. Dr. Rolf Großmann (Lüneburg), Prof. Dr. Tobias Hoßfeld (Würzburg), Prof. Dr. Stefan Iske (Magdeburg), Prof. Dr. Heike Jacobsen (Cottbus), PD Dr. Isabel Kusche (Edinburgh), PD Dr. Florian Mundhenke (Leipzig), Prof. Dr. Jan Müggenburg (Lüneburg), Prof. Dr. Elizabeth Prommer (Rostock), Prof. Dr. Jens Schröter (Bonn), Prof. Dr. Monika Schwarz-Friesel (Berlin), Prof. Dr. Sven Stollfuß (Leipzig), PD Dr. Andreas Sudmann (Marburg), Prof. Dr. Carsten Totz (Berlin), Prof. Dr. Claudia Wagner (Koblenz), Prof. Dr. Karsten Weber (Regensburg), Prof. Dr. Günther Wirsching (Eichstätt), Prof. Dr. Thomas Zoglauer (Cottbus)
Das Organisationskomitee besteht aus:
PD Dr. Dr. Peter Klimczak (Cottbus), Prof. Dr. Christer Petersen (Cottbus), Samuel Schilling, M.A. (Berlin)