Hans Ulrich Grubenmann (1709 – 1783) Würdigung

Hans Ulrich Grubenmann lernte sein Handwerk von seinem Vater und seinen Brüdern. Die Handwerkskunst im 18. Jahrhundert basierte stets auf Gesehenem und gesammelten Erfahrungen. In unserer heutigen Welt ist ein beruflicher Erfolg ohne schulische Abschlüsse kaum denkbar. Doch Grubenmann gab sich damit nicht zufrieden. Er beobachtete seine gebauten Brücken, verbesserte Schwachstellen beim nächsten Bau und untersuchte statische Probleme anhand von Modellen. So verbesserte er das Stabpolygon und entwickelte es sogar bis hin zum Bogen, der aus mechanisch gebogenen Hölzern bestand. Hierfür erhielt er von seinen Zeitgenossen viel Bewunderung. Seine Brücken wurden häufig in Reiseberichten beschrieben. So schrieb Christoph Jezler (1734-1791), ehemaliger Stadtbaumeister von Schaffhausen und Professor der Mathematik und Physik, 1778 in „Eine Beschreibung der hölzernen Brücke über den Rhein“: „In einer Entfernung von 1‘000 bis 2‘000 Schritten sieht sie frappant aus, und ohne ein Kenner von dergleichen Hängewerken zu sein, begreift man nicht, wie es gleichsam in der Luft schweben kann. Denn Hängewerke und hölzerne Gewölbe von fast 200 Schuh Länge wird man ausser der Schweiz schwerlich treffen… Die Gebrüder Ulrich und Johannes Grubenmann – letzterer hatte die 240 Fuss lange Brücke bei Reichenau im Bündnerland erstellt – verdienen den Namen überaus geschickter Zimmermeister und in dergleichen und anderen mechanischen Sachen erfinderischer Köpfe. Sie haben ihr Handwerk meistens von sich selbst gelernt, nicht studiert und nichts auf Reisen gesehen und können deshalb in ihrer Art Original-Genies heissen. Welche Männer hätten sie werden können, wenn ihre vortreffliche Anlage und Fähigkeit wäre durch die Mathematik kultiviert worden.“ [NÜESCH-GAUTSCHI 1985, S. 102]. 

Zum Tode Hans Ulrich Grubenmanns hielt der Teufener Pfarrer Tobler eine Trauerrede über den genialen Baumeister. Darin hieß es: „Wir bemerken, dass unser verstorbener Herr Mitbruder in seinem Leben ein brauchbarer Mann und in seiner Architectur-Wüssenschafft eine vorzügliche Geschicklichkeit besessen, wodurch er der menschlichen Gesellschaft großen Nutzen geschaffet. … Vornehmlich aber hat er neben Kunst und Wüssenschafft auch Großmuth bey unserem allhiesigen Kirchen-Bau, reichlich spüren lassen und ein Andenken gestifftet für das wir und unsere Nachkommende dankbarlich sind.“ [STÜSSI 1972, S. 916] Grubenmanns verbesserte Bogenbrückenkonstruktion, wie sie bei der Brücke von Wettingen zu sehen ist, trugen andere Baumeister und Ingenieure bis nach Nordamerika, wo sie dann über Lamellen- und Gitterbrücken bis hin zu Fachwerkbrücken weiterentwickelt wurden. Die Fachwerkträger wurden zurück nach Europa „exportiert“. 

Grubenmann begeistert auch heute noch. Seine Leistungen im Holzbrückenbau wirken auf die Menschen bis ins 20. und 21. Jahrhundert. Zu einem großen Grubenmann-Fan bekannte sich stets der schweizerische Bauingenieur Prof. Fritz Stüssi (1901-1981). So nannte er Hans Ulrich Grubenmann einen „Vollender der Kunst des Holzbrückenbaus“ [NÜESCH-GAUTSCHI 1985, S. 90]. Zu den Bewunderern Grubenmanns gehörte auch Joseph Killer (1900-1993). Killer war der Autor des Buches „Die Werke der Baumeister Grubenmann“, welches bereits viermal erschienen ist. Dort ist nachzulesen: „Wer die Kirchenbauten Ulrichs besucht, der ist entzückt über die wohlgewählte Proportion aller Bauteile und erinnert sich nachdenklich und vielleicht auch etwas melancholisch, daß ein einfacher Zimmermann mit allereinfachster Volksschuldbildung ausführender Baumeister, entwerfender Architekt und Konstrukteur zugleich sein konnte.“ [KILLER 1942, S. 187] Selbst die Schweizerische Post würdigte im März 2009 Hans Ulrich Grubenmann mit der Herausgabe einer Briefmarke anlässlich seines 300. Geburtstages. Nebst einer Abbildung der Schaffhausener Brücke ist darauf das Portrait des Baumeisters zu sehen (siehe Abb. 6.01). Die aktuelle Begeisterung an Hans Ulrich Grubenmann und seiner gesamten Familie zeigt sich auch in der Einrichtung eines Grubenmann-Museums in Teufen (Kanton Appenzell Außerrhoden, Schweiz), dem ehemaligen Wohnort des Meisters. Dessen Webseite gibt bereits einen guten Einblick in die Ausstellung: Nebst Informationstafeln zu Leben und Wirken der Baumeisterfamilie Grubenmann werden erhaltene und neue Modelle von Brücken und Dachstühlen und eine Auswahl von historischen Werkzeugen für die Holzbearbeitung präsentiert. Entstanden ist das Museum 1979 aus einer Wanderausstellung, die durch Joseph Killer und Rosmarie Nüesch-Gautschi, Autoren wichtiger Quellen des Great-Engineers-Beitrags zu Hans Ulrich Grubenmann, gestaltet wurde. [GRUBENMANN-SAMMLUNG-NEU]