Materie und Transformation Die Entfaltung des Kommunalen in der aktuellen Architektur Lateinamerikas
Eine neue Architektur in Lateinamerika und der Diskurs um sie herum offenbaren einen bewussten Umgang mit der Materialität der Welt und ihren Transformationsprozessen. Das Verständnis von Materie geht dabei über deren physische und gravitative Beschaffenheit (die ihre Umwandlung in Baumaterialien ermöglicht) hinaus und umfasst sozioökonomische und politische Überlegungen, landschaftliche Bedingungen, Bedeutungs- und Imagefragen, Vorstellungskraft, Handwerkskunst, die technologischen Impulse der Zeit oder die Wünsche und Freuden der Bewohner:innen – Erwägungen, die sich gegenseitig beeinflussen und in den verschiedenen Phasen des Werks (sei es Imagination, Planung, Konstruktion, Wahrnehmung, Aneignung, Neuschöpfung oder Reflexion) komplexe und ständige Transformationen erfahren. Themen wie die Erhaltung/Potenzierung (und nicht das Wegwerfen) des Vorhandenen sowie die Harmonie menschlichen Handelns mit den Transformationszyklen der Welt treten hier in den Vordergrund.
Diese Ansätze verfolgen konkrete Ziele, wie die Fürsorge gegenüber den Menschen und vor allem die Begünstigung solidarischer Partizipation sowie die Feier des kollektiven Lebens – Formen, die der Architektur nicht nur Sinn, Bedeutung und soziale Relevanz verleihen, sondern auch ihre Aneignung erleichtern, die Erfahrungen von Menschen bereichern, sie bewegen, sie zu gemeinschaftlichen Wesen erheben und ihnen außergewöhnliche Lebensumstände ermöglichen.
Die Erforschung der verschiedenen Annäherungen an die Materie und ihre Transformationsprozesse in aktuellen kollektiven Räumen Lateinamerikas als Mittel, die Menschen anzuheben, sie zu berühren und ihre Erfahrung des Miteinander-Seins zu verstärken, sowie die Herausarbeitung des theoretischen Hintergrunds dieses Phänomens sind die Ziele des Promotionsvorhabens. Dazu soll ebenso auf die theoretischen und analytischen Werkzeuge zurückgegriffen werden, die den lateinamerikanische Architekturdiskurs derzeit prägen (etwa die Ansätze von José Morales), wie auf historische Bezüge, die die Argumentation bereichern können (unter anderem Sempers Bekleidungs- und Stoffwechseltheorien). Ein interpretatives und empirisches Vorgehen, Fallstudien und Interviews mit den beteiligten Akteuren bilden die methodische Grundlage der Forschung.
Kurzbiografie
Architekturstudium in Bogotá und Cottbus. Ehemaliger Stipendiat des DAAD und des Programms „Juniorwissenschaftler“ (Colciencias, Kolumbien). Mitarbeit in verschiedenen Architekturbüros in Bogotá, Buenos Aires und Berlin. Lehrbeauftragter an der BTU im Wintersemester 2020-2021. Seit Oktober 2021 Doktorand an der BTU.