Der Postmoderne auf der Spur Rückstände eines umstrittenen Konzeptes in der Deutschschweizer Alltagsarchitektur der 1970er und 1980er Jahre
Die Schweiz ist ein Hort der Moderne und des Funktionalismus. Diese Position wird im architekturhistorischen Fachdiskurs bis heute verteidigt. Von einer expliziten Postmoderne ist in der deutschsprachigen Schweiz meist nicht die Rede, und wenn, dann wird für die Deutschschweiz eine «andere» Postmoderne postuliert. Rezeptionsgeschichtliche Beiträge widmen sich z.B. Aldo Rossis Zeit an der ETH Zürich, den Verbindungen von Denise Scott Brown und Robert Venturi zur Archithese, den daraus entstehenden Debatten des sogenannten Realismus oder aber um die materialtechnisch hochwertigen Entwürfe von Trix und Robert Haussmann. Ausgangslage dieses Projektes ist die Wahrnehmung einer Diskrepanz zwischen tatsächlich gebauter Umwelt und einem diskursiven Abwehrreflex gegenüber der Postmoderne (im Sinne einer contested category), wie er für die Deutschschweiz - in Anlehnung an die an Habermas orientierten Diskurse in Deutschland: «Anti-Aufklärung!» - symptomatisch ist.
In einem ersten Schritt werden somit die Beiträge der Fachpresse von 1970 bis 1990 untersucht. Hierunter fallen nicht nur theoretische, akademische Beiträge, sondern auch Beiträge zur reinen Baudokumentation oder Artikel aus dem Bereich der Wohnberatung. Es ist hier von Interesse, wie sich gängige Narrative einer architektonischen Postmoderne aus einem theoretisch reflektierten Kontext heraus popularisieren und sich Elemente eines Fachdiskurses in einen Alltagsdiskurs übersetzen. Untersucht werden: Archithese, Werk, Bauen + Wohnen, Schweizer Ingenieur und Architekt, Architecture Suisse (AS), Hochparterre, Raum und Wohnen, Ideales Heim.
In einem zweiten Schritt fragt die Arbeit danach, ob und über welche Kanäle sich diese Narrative – trotz teilweiser medialer und auch akademischer Kritik – epigonenhaft in die Deutschschweizer Alltagsarchitektur aber auch in das Selbstverständnis der Architekt*innen übersetzt haben. Interviews mit weniger publizierten Zeitzeug*innen sowie die Archive grosser Bau- und Generalplanungsfirmen (z.B. Burckhardt + Partner oder Suter + Suter) bieten hierfür eine interessante Grundlage jenseits jeglicher Stararchitektur. Erste Ergebnisse zeigen, dass die postmoderne Alltagsarchitektur – wenn auch nicht beachtet, oftmals verdrängt und selten geliebt – als «elephant in the room» präsenter ist als manche denken.
Kurzbiografie
Nach seinem Erststudium an der Zürcher Hochschule der Künste arbeitete Cyril Kennel in der Designsammlung des Museum für Gestaltung Zürich sowie an Forschungsprojekten im Departement Architektur der ETH und dem Institut für Design- und Kunstforschung an der Hochschule Luzern. Zusätzlich absolvierte er eine hochschuldidaktische Weiterbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich, ein vom Bund gefördertes Programm für Forschungsnachwuchs an Schweizer Kunsthochschulen sowie einen Master am Kunsthistorischen Institut der Universität Bern, wo er sich mit der Geschichtsschreibung der Postmoderne in Design und Architektur in der Schweiz auseinandersetzte.
Er unterrichtet Designtheorie sowie Design- und Architekturgeschichte an der Zürcher Hochschule der Künste sowie an diversen Höheren Fachschulen.