Haltung und Doktrin Die globalen Ereignisse der späten 1960er-Jahre und die ostdeutsche Kunst am Beispiel des Vietnamkriegs

Der bildenden Kunst kam in der DDR der gesellschaftliche Auftrag zu, sich dem Volk anzunähern und mit den ihr eigenen Mitteln verbindliche Werte zu formulieren. Hierzu zählten auch die Prinzipien des Antifaschismus, Antiimperialismus, Humanismus und der Solidarität, die sich vielfach in internationalistisch engagierten Kunstwerken niederschlugen. Seit den frühen 50er-Jahren bezogen sich Kunstwerke vermehrt auf globale Konfliktsituationen wie die Kriege in Korea und Algerien, auf den Ungarischen Volksaufstand 1956, das atomare Aufrüsten, die südafrikanische Apartheid, den Militärputsch in Chile 1973 oder den Israelisch-Palästinensischen Konflikt. Im Kontext des Kalten Krieges wurden solche Darstellungen zu den Ereignissen des „internationalen Klassenkampfes“ gezielt staatlich gefördert und eingepasst in das ideologische Narrativ einer moralischen Überlegenheit des sozialistischen Systems. Auf der anderen Seite entstanden solche Werke vielfach auch als persönliche Stellungnahme der Künstler*innen ohne einen staatlich delegierten Auftrag.

Trotz der wiederholt festgestellten Bedeutung dieses Themenkomplexes für die ostdeutsche Kunstgeschichte ist er bisher noch nicht grundlegend erschlossen und anhand vertiefender Fragestellungen systematisch untersucht worden. Besonders wenig Aufmerksamkeit ist dabei bisher dem Zeitraum der späten 60er Jahre zugekommen, obwohl diese global geprägt war von politischen Spannungen, gewaltsamen Konfliktsituationen, Umbrüchen und Transformationen, allen voran dem Vietnamkrieg. In dem Zeitraum von 1965 bis 1970 (und darüber hinaus) bezogen sich Künstler*innen in der DDR vielfach auf die Amerikanische Bürgerrechtsbewegung, das atomare Aufrüsten, die Errichtung einer Militärdiktatur in Griechenland und die Einführung der umstrittenen Notstandsgesetze in der BRD. Der weitaus größte Werkbestand ist jedoch in Bezug auf den Vietnamkrieg überliefert. Diese Themen wurden auch medial breit aufbereitet und im Sinne einer positiven Selbstdarstellung der DDR sowie im übergeordneten Sinn des Sozialismus als überlegenem politischen System instrumentalisiert. Darstellungen der sich im August 1968 ereignenden gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings finden sich kaum, da diese unerwünscht waren und Künstler*innen mit entsprechenden Konsequenzen rechnen mussten.

Für den betreffenden Zeitraum hat in der jüngeren Forschung die Historikerin Sophie Lorenz die Solidarisierung der DDR mit dem „anderen Amerika“ mit einem Fokus auf der zur Ikone stilisierten Angela Davis untersucht, ohne jedoch deren Reflexionen in der bildenden Kunst explizit zu berücksichtigen.[1] Marcus Kenzler kommt auf einigen Seiten über die „ostdeutsche Solidaritätskunst“ auch auf jene zum Vietnamkrieg zu sprechen – eine eingehende Untersuchung nimmt er jedoch nicht vor.[2] Darüber hinaus hat der Niederschlag der genannten zeitgeschichtlichen Ereignisse in der bildenden Kunst der DDR bisher noch keine Beachtung in der Forschung gefunden. Hieraus ergibt sich ein Desiderat, welches das Promotionsvorhaben aufarbeiten möchte. Da innerhalb des Themenkomplexes die mit Abstand meisten Werke zum Vietnamkrieg entstanden sind, wird dieser dabei ins Zentrum der Betrachtungen gerückt. Anspruch ist es, einen Überblick über den Werkbestand zu schaffen, der motivanalytische Detailstudien ebenso umfasst wie die Einordnung der Werke in ihre individuellen, politischen und gesellschaftlichen Entstehungs- und Rezeptionskontexte und – naheliegend in Anbetracht der inhärenten Internationalität des Themas – darüber hinaus Aspekte des transnationalen Austauschs berücksichtigt.

Anspruch und Ziel des Promotionsvorhabens ist es folglich, Repräsentationen des Vietnamkriegs in der bildenden Kunst der DDR zu untersuchen, um herauszufinden wie Künstler*innen sich dieses Themas in ihrem Schaffen angenommen haben und wie diese Werke in internationale Ausstellungen und Publikationen eingebunden waren. Dabei soll aufgezeigt werden, wie diese Werke etwa christlich- oder politisch-ikonografische Traditionen aufgreifen, aber auch transformieren, und wie sie im Kontext der seit Mitte der 1960er Jahre zunehmenden Internationalisierung des ostdeutschen Kunstbetriebs und der damit verbundenen Bildung transnationaler Netzwerke zu verorten sind.


[1] Lorenz, Sophie: „Schwarze Schwester Angela“. Die DDR und Angela Davis. Kalter Krieg, Rassismus und Black Power 1965 – 1975, Bielefeld 2020.

[2]  Kenzler, Marcus: Der Blick in die andere Welt. Einflüsse Lateinamerikas auf die Bildende Kunst der DDR (= Theorie der Gegenwartskunst 18), Berlin/Münster 2012, 300-304.
 

Biographische Angaben zu Sophie Thorak auf der Website des Lehrstuhls